Missbrauch: Festnahmen und Durchsuchungen in mehreren Bundesländern

Missbrauch: Festnahmen und Durchsuchungen in mehreren Bundesländern
NRW-Innenminister Reul: «Das ist ein Sumpf»
In einem neuen schweren Fall von Kindesmissbrauch sind am Wochenende elf Beschuldigte aus mehreren Bundesländern festgenommen worden. Der Hauptverdächtige war wegen pädophiler Neigungen in Therapie. Polizei und Staatsanwalt äußerten sich entsetzt.

Münster, Düsseldorf (epd). Mit Festnahmen und Durchsuchungen in mehreren Bundesländern ist die Polizei ein Netzwerk vorgegangen, das für schweren sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie verantwortlich sein soll. Festgenommen wurden elf Beschuldigte aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Brandenburg, wie Polizei und Staatsanwaltschaft Münster am Samstag mitteilten. Die mutmaßlichen Täter sollen über Jahre hinweg Kinder missbraucht und die Taten gefilmt haben. Hauptbeschuldigter ist ein bereits mehrfach vorbestrafter 27-jähriger Mann aus Münster. Polizei und Staatsanwaltschaft äußerten sich erschüttert. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte, er fürchte, das sei "noch nicht das Ende".

Von den Festgenommen sitzen laut Polizei sechs Männer sowie die Mutter des Hauptbeschuldigten, die Medienberichten zufolge in einer Kita gearbeitet hat, in Untersuchungshaft. Die Hauptopfer sind demnach der zehnjährige Sohn der Lebensgefährtin des Münsteraners und der fünfjährige Sohn eines weiteren mutmaßlichen Täters. Der Hauptverdächtige soll gemeinsam mit weiteren Beschuldigten unter anderem in einer Gartenlaube in Münster zwei Kinder stundenlang missbraucht haben. Die Kinder seien offenbar betäubt worden, hieß es. Die Mutter soll dem mutmaßliche Haupttäter die Schlüssel zur Gartenlaube überlassen und dabei den sexuellen Missbrauch der Kinder in Kauf genommen haben.

In einem Zwischendach der Gartenlaube wurden laut Polizei eine Videoaufzeichnungsanlage sowie Festplatten gefunden worden. Allein dem Hauptverdächtigen wirft die Staatsanwaltschaft bislang 15 Taten in der Zeit von November 2018 bis Mai 2020 vor. Bei den Opfern handelt es sich um den zehnjährigen Sohn der Lebensgefährtin des Münsteraners sowie um den fünfjährigen Sohn eines Beschuldigten aus Staufenberg. Die weiteren mutmaßlichen Täter stammen aus Gießen, Hannover, Schorfheide, Kassel und Köln. Dem Mann aus Kassel wird vorgeworfen, seinen zwölfjährigen Neffen missbraucht zu haben.

Der 27-Jährige aus Münster soll den zehnjährigen Jungen zumindest vier der Mitbeschuldigten für schwere Missbrauchshandlungen überlassen haben. Zwei weitere Beschuldigte stehen im Verdacht, zumindest an einem der beiden Kinder schwere sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben.

Die Polizeisprache über die Festnahmen und Haftbefehle gebe "völlig unzureichend die Dimension wieder, was wirklich geschehen ist - mitten unter uns, in unserer Gesellschaft", erklärte der Münsteraner Polizeipräsident Rainer Furth erschüttert. Der Leiter der Ermittlungen, Joachim Poll, erklärte, die Ermittler hätten "unfassbare" Bilder sehen müssen: "Vier erwachsene Männer vergehen sich an zwei kleinen Jungs - wechselseitig und aufs Schlimmste. Sie können es sich nicht vorstellen." Diese Kinder hätten viel Leid ertragen müssen. So sei der Zehnjährige an andere Täter verkauft worden, von jemanden, der ihn eigentlich behüten sollte.

NRW-Innenminister Reul erklärte: "Das ist ein Sumpf." Wenn man hier anfange hinzugucken, wenn man Polizei einsetze, werde man immer mehr erwischen, sagte Reul am Samstagabend in der Tagesschau der ARD. "Ich befürchte, wir sind noch nicht am Ende."

Der Hauptverdächtige arbeitete nach Polizeiangaben in einem landwirtschaftlichen Betrieb im Kreis Coesfeld im Bereich IT-Technik. Ihm soll ein professionell betriebener Serverraum in Münster gehören. Nach ersten Erkenntnisse sollen die dort gefundenen Datenträger mit kinderpornografischen Aufnahmen mehr als 500 Terrabyte Datenvolumen enthalten, die hochprofessionell verschlüsselt wurden. Die Polizei erhofft sich weitere Erkenntnisse, wenn das Material vollständig entschlüsselt sei.

Der hauptbeschuldigte Münsteraner war bereits mehrfach wegen Besitz und Verbreitung von kinderpornographischen Schriften zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Einer angeordneten Therapie wegen seiner pädophilier Neigungen sei er nachgekommen, hieß es.