Studie: Auch Kirchen haben Flüchtlingsgegner in rechte Ecke gestellt

Studie: Auch Kirchen haben Flüchtlingsgegner in rechte Ecke gestellt
Die "Willkommenskultur-Euphorie" zu Beginn der Flüchtlingskrise hat laut einer Studie der Hochschule Osnabrück dazu geführt, dass sich Gegner und Skeptiker in eine rechte Ecke gestellt sahen. Auch die Kirchen hätten zu dieser Einteilung in Gut und Böse beigetragen.
07.06.2020
epd
epd-Gespräch: Martina Schwager

Trotz einer starken Polarisierung der Gesellschaft in der Flüchtlingsfrage sieht die Sozialforscherin Christel Kumbruck noch Chancen für eine Annäherung. Gespräche von Flüchtlingshelfern und Flüchtlingsskeptikern in kleinen Gruppen könnten die Grautöne in den Argumentationen zum Vorschein bringen und Verständnis für die jeweils andere Seite wecken, sagte Kumbruck in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die "Willkommenskultur-Euphorie" von 2015 habe nach einer von ihr geleiteten Studie wesentlich dazu beigetragen, dass deren Gegner und Skeptiker sich schnell in eine rechte Ecke gestellt sahen. "Die Kirchen und viele andere haben dazu beigetragen, dass schnell zwischen Gut und Böse unterschieden wurde."

Menschen reagieren unterschiedlich auf Krisen

Für die qualitative Studie haben die Psychologin und ihr Team von der Hochschule Osnabrück Menschen befragt, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, und solche, die in Briefen oder Demonstrationen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Stellung beziehen. Partner des Forschungsprojekts "Zivilgesellschaftliches Engagement" ist das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Unter der Leitung von Petra-Angela Ahrens haben Forscher des Instituts auf Grundlage der Ergebnisse der qualitativen Studie eine repräsentative, quantitative Befragung gestartet. Deren Ergebnisse sollen im Herbst präsentiert werden.

Bei den befragten Menschen in Deutschland hätten sich zwei Reaktionsmuster auf unsichere und komplexe Situationen wie den starken Flüchtlingszuzug gezeigt, erläuterte Kumbruck. Die einen neigten dazu, offen auf Neues zuzugehen. Die anderen reagierten verunsichert auf Veränderungen. Sie wollten den Status quo beibehalten und fürchteten unter anderem, dass die Sozialsysteme überfordert werden könnten. Letztere hätten sich jedoch von Anfang an mit ihren Sorgen nicht wahr- und ernstgenommen gefühlt.

"Nazis" und "dumme Teddybären-Werfer"

Im weiteren Verlauf hätten sich die Fronten zwischen angeblichen "Nazis" und "dummen Teddybären-Werfern" verhärtet, sagte die Professorin. Differenzierte Positionen seien überhört und abgetan worden. Nur in kleiner Runde, in nicht öffentlichen Räumen, bestehe eine Chance, dass Menschen diese noch äußerten. "Da kann etwa die Skeptikerin sagen, dass ihr das Schicksal eines Flüchtlings, den sie kennengelernt hat, durchaus nahegeht. Die Flüchtlingshelferin kann äußern, dass es sie stört, wenn ihr Schützling sich nicht integrieren will."

Vielfach hätten sich jedoch Populisten und Verschwörungstheoretiker der Kritiker und der Wankelmütigen angenommen. "Da hören sie, dass die Flüchtlinge angeblich von Großbanken oder Milliardären geschickt wurden, um uns zu unterwandern. Für manche passt dann plötzlich alles zusammen. Sie entwickeln ein in sich geschlossenes Weltbild. An dem Punkt wird es schwierig, noch kommunikativ dazwischenzukommen."