Kabinett beschließt schärfere Auflagen für Fleischindustrie

Kabinett beschließt schärfere Auflagen für Fleischindustrie
Heil: «Es ist Zeit, in diesem Bereich aufzuräumen»
Corona-Ausbrüche haben die Ausbeutung von ausländischen Arbeitern in deutschen Fleischfabriken ins Licht gerückt. Die Bundesregierung reagiert mit Auflagen und Kontrollen. Subunternehmen sollen verschwinden. Die Arbeiter müssen angestellt werden.

Berlin (epd). Nach massiven Corona-Ausbrüchen unter Arbeitern hat das Bundeskabinett schärfere Auflagen für die Fleischindustrie beschlossen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte nach der Kabinettssitzung am Mittwoch in Berlin, das Schlachten und die Verarbeitung des Fleisches in den Betrieben dürfe vom kommenden Jahr an nur noch von eigenen Beschäftigten erledigt werden. "Werksvertragsgestaltung und Arbeitnehmerüberlassung sind damit ab 1. Januar 2021 nicht mehr möglich", sagte Heil. Damit soll erreicht werden, dass Fleischfabriken die Verantwortung für Niedrigstlöhne und menschenunwürdige Unterbringung nicht länger von sich weisen können. Heute geht das, weil die Arbeiter bei Subunternehmen beschäftigt sind. Die Opposition begrüßte die Verschärfungen, die Industrie lehnte sie ab.

Grünen-Chef Robert Habeck lobte die Kabinettsbeschlüsse zu den Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeiter in der Fleischindustrie. Die Regierung sollte sich aber das gesamte Agrarsystem anschauen, Dumping-Verhältnisse gebe es auch bei der Tierhaltung, sagte Habeck dem Fernsehsender Phoenix.

Auch der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) begrüßte das von der Bundesregierung beschlossene Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie. Dies sei "ein großer Sieg" für alle Beschäftigten und alle Menschen, die seit Jahren "gegen dieses System der Ausbeutung kämpfen", erklärte Laumann am Mittwoch in Düsseldorf.

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes: "Nach Jahren vieler bekannt gewordener Missstände handelt die Bundesregierung endlich." Neben den Arbeitsbedingungen seien es auch Tierschutzfragen, die geklärt werden müssen. "Warum etwa wird immer noch hingenommen, dass hunderttausende Tiere ohne ausreichende Betäubung in den Schlachtprozess gehen? Warum werden die Tiere oft über hunderte Kilometer transportiert, bevor sie in einen qualvollen Tod gehen? Das sind Tierschutzfragen, keine Fragen des Arbeitsrechts", fügte Schröder hinzu.

Viele Käufer werden steigende Fleischpreise nach Einschätzung von Verbraucherschützer Klaus Müller akzeptieren. "Bessere Bedingungen in der Fleischindustrie sind überfällig", sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Donnerstag).

Heil will nun einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem die Arbeitnehmerüberlassung im Kerngeschäft der Fleischindustrie unterbunden werden kann. Ausgenommen werden solle das Fleischerhandwerk, sagte Heil. Der kleine Metzger auf dem Land, der noch selbst schlachte, sei nicht betroffen. Die Verschärfungen zielten allein auf die Zustände in den Fabriken.

Das Kabinett beschloss auch eine Ausweitung der Arbeitsschutz-Kontrollen durch den Zoll und die Länder, eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung und höhere Bußgelder bei Verstößen. Die Arbeitgeber müssen mitteilen, wo ihre ausländischen Arbeiter eingesetzt und untergebracht sind. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) unterstützte die Beschlüsse. Sie erklärte, in der Fleischindustrie gebe es Zustände, die "nicht haltbar" seien. Die Betriebe könnten die Verantwortung dafür nicht einfach an Subunternehmer auslagern. Dies gehe zulasten vieler Arbeiter, kritisierte die CDU-Politikerin.

Ausgelöst worden war die Debatte über die Fleischindustrie durch massenhafte Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die vielfach aus Rumänien und Polen stammenden Arbeiter sind in der Regel bei Subunternehmen beschäftigt und in überfüllten und überteuerten Unterkünften untergebracht.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Opposition begrüßten den Regierungsbeschluss. Freiwillige Regelungen hätten nichts an den katastrophalen Zuständen geändert, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, forderte scharfe Kontrollen, um die unmenschlichen Zustände abzustellen.

Die Arbeitgeber nannten es hingegen inakzeptabel, dass einzelne Missstände der Politik dazu dienen sollten, erfolgreiche Instrumente der Wirtschaft wie Werkverträge abzuschaffen. Das gehe gegen die Berufsfreiheit, kritisierte die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Die Geflügelwirtschaft warnte, Werkverträge allein für die Fleischindustrie zu verbieten, sei verfassungswidrig.

epd bm/lwd/cez