Sozialpädagoge: Man muss sich an neue Kontaktformen gewöhnen

Sozialpädagoge: Man muss sich an neue Kontaktformen gewöhnen
27.03.2020
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M./Hildesheim (epd). Die Menschen müssen sich nach Einschätzung des Sozialpädagogen Andreas Herz erst an neue Formen des sozialen Kontakts infolge der Corona-Pandemie gewöhnen. "Manche von uns sind noch nicht so geübt darin, auf digitalen Wegen mit ihren Mitmenschen in Kontakt zu bleiben - das ist für viele eine Ausnahmesituation ohne vergleichbare Erlebnisse aus der Vergangenheit", sagte der Sozialpädagoge von der Universität Hildesheim dem Evangelischen Pressedienst (epd). Herz führt mit seinem Team derzeit eine Online-Befragung zu den sozialen Folgen der Kontakteinschränkungen durch. Mit ersten Ergebnissen rechnet er in etwa drei Wochen.

Viele Menschen spürten in dieser Ausnahmesituation umso mehr, dass soziale Beziehungen große Ressourcen für das eigene Leben sind - sei es emotional oder auch ganz praktisch, wenn etwa um kleinere Erledigungen gehe. "Jede Unterstützungsleistung - ganz gleich ob emotional oder praktisch - muss nun passieren, ohne dass man mit der anderen Person gleichzeitig am selben Ort ist", sagte Herz. "Wir müssen uns auch neue Formen der Distanzierung aneignen." Im Supermarkt werde das derzeit besonders deutlich. Dort klebten jetzt vielerorts Streifen auf dem Boden, die den Abstand anzeigen, den man vom Vordermann an der Kasse oder in der Warteschlange vor der Fleischtheke einhalten müsse. "Das macht etwas mit unserer Gesellschaft, dass wir im sozialen Raum neue Wege finden müssen, uns zu begegnen, uns aber gleichzeitig aus dem Weg zu gehen", sagte der Sozialpädagoge.

Herz verwies auch darauf, dass viele Menschen nun nicht nur nach anderen Kommunikationswegen suchen müssen, um Kontakt zu halten, sondern gleichzeitig auch die Erfahrung machten, sich permanent mit denselben Menschen in einem beschränkten Ort aufzuhalten. Das betreffe vor allem Mehrpersonenhaushalte - Familien und Wohngemeinschaften. "Wir müssen austarieren, wie wir den Kontakt zu Personen im gleichen Haushalt organisieren und wie wir gleichzeitig mit Menschen außerhalb des Haushalts Kontakt aufnehmen können." Das könne eine große Herausforderung sein. Aus China, wo die Pandemie ihren Ausgang nahm, gäbe es Hinweise darauf, dass etwa häusliche Konflikte zugenommen hätten, das berichteten dortige Frauenrechtsorganisationen.

Aus der Migrationsforschung wisse man beispielsweise, dass auch Distanzbeziehungen ein "unglaubliches Unterstützungspotenzial" hätten. Er erlebe derzeit, dass Menschen nun über Videotelefonate etwa gemeinsame Spielabende abhielten oder Großeltern mit ihren Enkeln so gemeinsam bastelten. Inwiefern sich diese neuen Kommunikationsweisen in den Alltag integrieren, sei Gegenstand der Studie.