Berlin (epd). Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat die Politik nach dem rassistisch motivierten Anschlag in Hanau zu einer ehrlichen Aufarbeitung aufgefordert. "Selbstkritik, entschlossenes Handeln - das sind wir den Ermordeten von Hanau schuldig", sagte Schäuble am Donnerstag vor Beginn einer vereinbarten Debatte im Parlament über den Anschlag. Betroffenheit reiche längst nicht mehr. "Hanau fordert vor allem: Aufrichtigkeit", sagte der Parlamentspräsident.
Der Staat müsse sich eingestehen, die rechtsextremistische Gefahr zu lange unterschätzt zu haben. "Die lange Spur mörderischer Übergriffe, die Einzeltäter und Gruppen durch Deutschland ziehen, zeigt: Das ist Terrorismus", sagte Schäuble. In seiner Ansprache nannte er die Namen der Opfer. Das Parlament erhob sich zu einem kurzen Gedenkmoment. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verfolgte die Debatte von der Besuchertribüne.
Schäuble mahnte auch, Taten wie die in Hanau kämen nicht aus einem "luftleeren Raum". "Sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima, in dem das Ressentiment gegenüber dem Fremden und abwegigste Verschwörungstheorien geschürt werden", sagte er, "bis Minderheiten als Bedrohung empfunden und in Sozialen Medien Hetzjagden oder sogar Morde von perversen Beifallsbekundungen begleitet werden."
Am 19. Februar waren neun Menschen mit Migrationshintergrund in Hanau Opfer eines rassistisch motivierten Anschlags geworden. Der Generalbundesanwalt sprach von einer "zutiefst rassistischen Gesinnung" des Täters. Auch die Mutter des Mannes fanden die Ermittler erschossen in ihrer Wohnung auf. Am Mittwochabend wurde der Opfer bei einer Trauerfeier in Hanau gedacht, an der auch Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnahmen.