Online-Register soll zu mehr Organspenden führen

Rückseite eines ausgefüllten Organspendeausweises
© Marie Reichenbach/dpa
Online-Register soll zu mehr Organspenden führen
Mehrheit im Bundestag hält an bisheriger Zustimmungsregelung fest
Es geht um eine Grundsatzfrage: Sind Organspender jene, die "Ja" dazu sagen, oder die, die nicht "Nein" sagen? Im Bundestag wird emotional debattiert. Am Ende erhält ein Antrag die Mehrheit, der die Auseinandersetzung mit dem Thema fördern soll.

Berlin (epd). Die Zahl der Organspender in Deutschland soll mit regelmäßigen Abfragen und der Einrichtung eines Online-Registers gesteigert werden. Der Bundestag votierte am Donnerstag mit einer deutlichen Mehrheit von 432 von 669 abgegebenen Stimmen für den Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock, der vorsieht, dass Bürger künftig stärker sensibilisiert werden und ihre Spendebereitschaft in einem Online-Register festhalten können. Abgelehnt wurde indes der Vorschlag einer Widerspruchsregelung, nach der jeder Bürger Organspender geworden wäre, wenn er dem nicht zuvor widersprochen hat. Dafür hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geworben.

Mit der Parlamentsentscheidung bleibt es im Grundsatz bei der geltenden Regelung: Organe und Gewebe dürfen nach dem Tod nur entnommen werden, wenn die betreffende Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat, einen Organspendeausweis besitzt oder die Angehörigen der Entnahme zugestimmt haben. Im Unterschied zu heute sollen aber Abfragen bei der Ausweisstelle oder beim Hausarzt dafür sorgen, dass sich die Menschen mit Organspende auseinandersetzen und sich im besten Fall auch dafür entscheiden. 2019 gab es in der Bundesrepublik 932 Organspender. Deutschland ist damit Schlusslicht in Europa.

Die katholische und evangelische Kirche in Deutschland begrüßten die Entscheidung der Parlamentarier, bei einer Zustimmungslösung zu bleiben. Dies setze "ein wichtiges Zeichen für den Erhalt und Schutz grundlegender medizinethischer und grundrechtlicher Prinzipien", auf denen das Wertefundament der Gesellschaft fuße, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Gesellschaft sei jetzt als Ganze herausgefordert, alles zu unterstützen, was die individuelle Organspendenbereitschaft befördert. EKD und Bischofskonferenz hatten sich immer gegen eine Widerspruchsregelung ausgesprochen.

In der abschließenden Debatte des Bundestags hatten Gegner und Befürworter einer Neuregelung der Organspende eindringlich für ihre Positionen geworben. Spahn verteidigte die Widerspruchsregelung mit den Worten: "Ja, es ist eine Zumutung. Aber eine die Menschenleben rettet." SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der den Spahn-Vorschlag unterstützte, warnte: Ohne die Widerspruchslösung "werden wir nichts ändern".

Grünen-Chefin Baerbock wiederum plädierte für ihren Gegenantrag zur Widerspruchslösung. Das Grundgesetz schreibe vor, das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen zu respektieren: "Der Mensch gehört sich selbst, ungefragt, ohne Widerspruch", betonte sie.

Thomas Rachel (CDU) betonte, die Organspende verdiene aus christlicher Perspektive höchste Anerkennung als Akt der Nächstenliebe und Solidarität über den Tod hinaus. "Nächstenliebe kann aber nicht staatlich eingefordert werden, sondern gedeiht nur dort, wo es auch Freiheit gibt."

Gitta Connemann (CDU) erzählte vom Schicksal ihres Mitarbeiters, 33 Jahre, der gerade Vater geworden war, als eine lebensgefährliche Erkrankung bei ihm festgestellt wurde. Er habe drei Monate gewartet auf den Anruf: "Wir haben ein Organ für Sie." Dann sei er gestorben. "Wir entscheiden heute über Zeit", sagte Connemann in einer eindringliche Rede: Nicht nur über Wartezeit. "Wir entscheiden heute über Lebenszeit."

Fast alle Rednerinnen und Redner betonten, sie teilten das Ziel, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen. Wie bei ethischen Themen üblich, entschieden die Abgeordneten nach der etwa zweistündigen Debatte unabhängig von ihrer Fraktionszugehörigkeit. Die AfD hatte als Fraktion einen eigenen Antrag eingebracht, der aber nicht zur Abstimmung kam, da bereits der Baerbock-Antrag die notwendige Mehrheit bekommen hatte.

epd bm/mey fu