Organspende: Tauziehen um die Stimmen der Abgeordneten

Organspende: Tauziehen um die Stimmen der Abgeordneten
Am Donnerstag steht im Bundestag die Abstimmung über eine Neuregelung der Organspende an. Der Ausgang ist völlig offen. Beide Seiten werben um Rückendeckung.

Frankfurt a.M. (epd). Wenige Tage vor der Entscheidung im Bundestag über eine Neuregelung der Organspende werben beide Lager um die Stimmen der noch unentschlossenen Abgeordneten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als Befürworter der sogenannten Widerspruchsregelung wendet sich ebenso wie die Gegengruppe, die für eine Zustimmungslösung eintritt, in einem Brief an die Parlamentarier. Das Abstimmungsergebnis ist noch völlig offen.

Die Zahl der bisherigen Unterstützer sei auf beiden Seiten etwa gleich, sagte Spahn dem "Tagesspiegel" (Samstag). Weitere rund 200 der 709 Bundestagsabgeordneten waren laut Berichten noch unentschlossen, hinter welchen der beiden jeweils fraktionsübergreifend unterstützten Entwürfe sie sich am Donnerstag stellen würden.

Eine Gruppe um Spahn und Karl Lauterbach (SPD) tritt dabei für die Umkehrung des jetzigen Grundsatzes ein. Nach ihren Plänen soll jeder potenzieller Organspender sein, der dem zu Lebzeiten nicht widerspricht. Der andere Entwurf sieht dagegen vor, dass die Organentnahme wie derzeit nur bei ausdrücklicher Zustimmung möglich ist. Die dahinterstehende Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock will aber dafür sorgen, dass die Bürger regelmäßig dazu befragt werden, damit sie ihre Entscheidung möglichst dokumentieren.

Der Brief Spahns, der auch dem epd vorlag, ging laut "Spiegel" an alle Abgeordneten, die sich knapp eine Woche vor der Abstimmung noch unentschieden zeigten. Darin heißt es: "Es geht um eine kluge Abwägung. Ich wünsche mir, dass wir dabei den Mut finden, den großen Schritt zu wagen." Die Widerspruchsregelung habe in anderen Ländern die Haltung zur Organspende grundlegend verändert. "Eine Kultur der Organspende hat sich entwickelt", schreibt Spahn.

Die Befürworter der zustimmenden Lösung argumentieren in ihrem Brief an die Parlamentarier, Schweigen dürfe nicht als Zustimmung gewertet werden. "Manche Menschen können oder wollen sich nicht mit der Organspende auseinandersetzen", heißt es in dem Schreiben, das dem epd vorlag und über das zuerst die "Rheinische Post" berichtet hatte. "Wir meinen, dass wir den Weg der Vertrauensschaffung, Stärkung der Beratung und Aufklärung sowie der Verbesserung der Organisation und Transparenz in den Krankenhäusern weitergehen sollten", erklären die sieben Verfasser von Union, SPD, Grünen und FDP, darunter auch die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD).

Ziel beider Entwürfe im Bundestag ist es, die Zahl der Organspenden zu steigern. In Deutschland warteten laut Deutscher Stiftung Organtransplantation Ende 2018 rund 9.400 Menschen auf ein Spenderorgan. Rund 3.100 Organe wurden in diesem Jahr gespendet. Die Jahresstatistik für 2019 liegt noch nicht vor.

Die Zahl der Patienten in Deutschland, die aufgrund fehlender Spendenorgane ihr Leben verlieren, schätzte Spahn in der "Bild am Sonntag" auf mehrere Tausend im Jahr. Dazu zählten nicht nur die Menschen auf der Warteliste, sondern auch jene, die wegen geringer Chancen gar nicht erst aufgenommen würden, und alle, die wieder abgemeldet würden, weil sie nach langem Warten zu krank für eine Transplantation seien.

Nach einer YouGov-Umfrage sprach sich zuletzt eine knappe Mehrheit der Deutschen für die Einführung einer Widerspruchslösung aus, wie die Funke Mediengruppe am Sonntag berichtete. Demnach befürworteten Anfang Januar 53 Prozent den Vorschlag Spahns, 34 Prozent waren dagegen. Bei einer vergleichbaren Umfrage im Mai 2019 hätten sich nur 47 Prozent aller Befragten für die Widerspruchslösung ausgesprochen, die Ablehnung habe bei 38 Prozent gelegen.

epd svo