In Venezuela konkurrieren zwei Parlamentspräsidenten miteinander

In Venezuela konkurrieren zwei Parlamentspräsidenten miteinander
Venezuela steuert ein weiteres Mal auf eine gefährliche Eskalation zu - diesmal wegen der Wahl des Parlamentspräsidenten. Deutschland und die EU beziehen Position.

Berlin, Caracas (epd). Ein weiteres Mal eskaliert der Machtkampf zwischen Regierung und Opposition in Venezuela. Der Nationalkongress hat seit Sonntag (Ortszeit) zwei konkurrierende Präsidenten. Während Sicherheitskräfte dem bisherigen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó und weiteren regierungskritischen Mandatsträgern den Zugang zum Kongressgebäude versperrten, wählten die Abgeordneten im Gebäude den abtrünnigen Oppositionsparlamentarier Luis Parra zum neuen Vorsitzenden. Guaidó, der sich vor einem knappen Jahr zum Übergangspräsidenten ernannt hatte, ließ sich daraufhin im Gebäude der regierungskritischen Zeitung "El Nacional" von den Oppositionsabgeordneten wiederwählen.

Nach Angaben der Opposition erhielt Guaidó bei der improvisierten Sitzung 100 Stimmen und damit eine Mehrheit. Die EU und Deutschland nannten die Vorgänge in der Nationalversammlung undemokratisch und erkennen Guaidó weiter als Parlamentspräsident an, ebenso wie die USA und die Organisation Amerikanischer Staaten. Die Regierung von Staatschef Nicolás Maduro hingegen hält an Parra fest. Er sei regelkonform mit 84 von 150 Stimmen gewählt worden, erklärte die Fraktion der Regierungspartei PSUV (Sozialistischen Einheitspartei).

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, Maduros Regierung habe versucht, die Wahl in der Nationalversammlung zu manipulieren und die Demokratie weiter auszuhöhlen. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, erklärte, es sei zu Akten gegen die demokratische Funktionsweise der Nationalversammlung gekommen, so dass diese ihr vom Volk übertragenes Mandat nicht habe ausüben können. Das sei nicht akzeptabel.

Die venezolanische Opposition nannte Parras Wahl verfassungswidrig, weil es kein Quorum gegeben habe und das Parlament damit nicht beschlussfähig gewesen sei. Während Oppositionspolitiker noch versucht hätten, in das abgesperrte Parlamentsgebäude zu gelangen, sei Parra schon vereidigt worden. Guaidó sprach von einem "parlamentarischen Staatsstreich der Diktatur", die immer wieder dem Parlament seine Rechte wegnehmen wolle. Die Opposition stellt in dem durch Maduro weitgehend entmachteten Parlament Zweidrittel der Abgeordneten.

Präsident Maduro erklärte dagegen, Guaidó sei mit den Stimmen der Abgeordneten aus dem Parlament geworfen worden. Im Staatsfernsehen wurde Parra als neuer Parlamentspräsident präsentiert.

Der Präsident der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, gratulierte Guaidó via Twitter und erklärte, er stehe damit weiter einer Regierung des Übergangs vor. Auch US-Außenminister Mike Pompeo sandte Glückwünsche und schrieb, Guaidó sei der legitime Anführer der Nationalversammlung. "Nur eine Übergangsregierung, die freie und faire Präsidentschaftswahlen organisiert, kann die Krise beenden." Aus Lateinamerika gratulierte Ecuadors Präsident Lenín Moreno Guaidó zur Wiederwahl und sagte, er hoffe auf eine baldige Rückkehr zur Demokratie in Venezuela.

Seit Monaten tobt in dem von einer schweren Wirtschaftskrise gezeichneten Land ein politischer Machtkampf zwischen Anhängern von Maduro und der Opposition. Vor knapp einem Jahr hatte sich Parlamentspräsident Guaidó zum Interimspräsidenten ausgerufen und wird inzwischen von mehr als 50 Staaten anerkannt. Auf der Seite von Maduro stehen Länder wie Kuba, Russland und die Türkei. Das Militär steht mehrheitlich loyal zu Maduro und ist sein größter Machtfaktor.