Ärztepräsident Reinhardt will Zugang zu Fachmedizinern einschränken

Ärztepräsident Reinhardt will Zugang zu Fachmedizinern einschränken
Patientenschützer kritisieren Verunsicherung von Patienten
Die Forderung, den Zugang von Kassenpatienten zu Fachmedizinern einzuschränken, sorgt für Wirbel. Der Präsident der Bundesärztekammer begründet den Vorstoß damit, dass sich das Gesundheitssystem eine ungesteuerte Inanspruchnahme nicht leisten könne.

Berlin, Dortmund (epd). Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, fordert, den Zugang von Kassenpatienten zu Fachärzten einzuschränken. Er plädiert für die Einführung eines sogenannten Hausarztmodells in Deutschland. Danach soll jeder Versicherte bei einer Erkrankung immer zuerst seinen Hausarzt aufsuchen, der dann bei Bedarf zum Facharzt überweist. "Wer die völlige Wahlfreiheit haben möchte, also auch ohne Überweisung zum Facharzt gehen will, sollte höhere Beiträge bezahlen", sagte der in Bielefeld niedergelassene Arzt dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Dienstag). Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte den Vorschlag.

Reinhardt argumentierte, in allen EU-Staaten existierten Regularien, um die knappen Mittel und das medizinische Personal so sinnvoll wie möglich einzusetzen. "Nur in Deutschland haben die Versicherten die Möglichkeit, ohne ärztlich verantwortete Steuerung nahezu alle erdenklichen medizinischen Leistungen zu nutzen, ohne längere Wartezeiten. Diese ungesteuerte Inanspruchnahme von Ressourcen können wir uns nicht länger leisten", sagte der Ärztepräsident.

Das unbegrenzte Leistungsversprechen gehe wegen einer zunehmenden Personalnot im Gesundheitswesen immer stärker zulasten der dort Beschäftigten, erklärte Reinhardt, der auch Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe ist: "Wir Ärzte arbeiten wie in einem Hamsterrad."

Ein Hausarztmodell habe auch für die Versicherten Vorteile: Viele Patienten würden froh darüber sein, wenn sie von ihrem Hausarzt durch das sehr komplizierte Gesundheitssystem begleitet würden, sagte Reinhardt: "Viele sind doch überfordert, bei Erkrankungen die geeigneten Spezialisten in der richtigen Reihenfolge aufzusuchen." Der Hausarzt könne dagegen zusammen mit dem Patienten einen sinnvollen Behandlungspfad aufstellen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf dem Präsidenten der Bundesärztekammer vor, "mit seinen Vorschlägen für maximale Patientenverunsicherung zu sorgen". Das deutsche System der Krankenversicherungen unterscheide sich grundsätzlich von der Staatsmedizin des Auslandes, sagte der Vorstand Eugen Brysch am Montag in Dortmund dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem werde der Rahmen der medizinischen Versorgung nicht von den Leistungsanbietern oder den Versicherungen festgelegt. "Die Zuständigkeit liegt allein beim Gesetzgeber oder dem Bundesgesundheitsminister", unterstrich Brysch.

epd lwd/mj