Gutachter muss im Betreuungsverfahren freien Willen prüfen

Gutachter muss im Betreuungsverfahren freien Willen prüfen

Karlsruhe (epd). Bei der Einrichtung einer Betreuung für eine psychisch kranke Person muss die mangelnde Fähigkeit des Betroffenen zur freien Willensbildung belegt sein. Wenn ein Gutachter nicht ausdrücklich festgestellt hat, dass der psychisch Kranke keinen freien Willen bilden kann, ist das Betreuungsverfahren fehlerhaft und muss wiederholt werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Die Karlsruher Richter betonten zudem, dass im Betreuungsverfahren grundsätzlich ein Verfahrenspfleger dem Betroffenen zur Seite stehen muss. (AZ: XII ZB 144/19)

Im entschiedenen Rechtsstreit war die Verlängerung einer Betreuung für den psychisch kranken Mann aus dem Raum Jever im Streit. Bei dem Mann wurde eine paranoid-querulatorische Persönlichkeitsstörung festgestellt. Für alle wesentlichen Lebensbereiche wurde eine Betreuung angeordnet.

Das Landgericht hatte die Betreuung unter anderem damit begründet, dass der Mann in seinem von Zwangsversteigerung bedrohten landwirtschaftlichen Hof ohne Strom und Wasser in verwahrlostem Zustand lebt. Da der Betroffene seinen Willen nicht unbeeinflusst von seiner Erkrankung bilden könne, könne die Betreuung auch gegen seinen Willen fortgeführt werden. Ein Gutachter hatte zudem "Realitätsbezugsstörungen" festgestellt und erklärt: "Wir sehen die Fortführung der Betreuung auch gegen seinen Willen als gerechtfertigt an."

Doch dieses Vorgehen ist fehlerhaft und verletzt den Mann in seinen Rechten, entschied der BGH. Nach dem Gesetz dürfe gegen den freien Willen eines Erwachsenen kein Betreuer bestellt werden. Daher müsse in einem Betreuungsverfahren immer auch ein Gutachten belegen, dass wegen der Erkrankung kein freier Wille gebildet werden könne. Die fehlende Willensbildung sei hier aber nicht ausdrücklich festgestellt worden.

Auch habe es das Landgericht fehlerhaft unterlassen, einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Dies sei aber erforderlich, wenn eine Betreuung in den wesentlichen Lebensbereichen infrage kommt. Das Verfahren wurde an das Landgericht Oldenburg daher zurückverwiesen.