Über 8.600 Traktoren fahren aus Protest nach Berlin

Über 8.600 Traktoren fahren aus Protest nach Berlin

Berlin (epd). Mit einer Traktoren-Demo haben Landwirte aus ganz Deutschland am Dienstag in Berlin gegen die Agrar- und Umweltpolitik der Bundesregierung protestiert. Nach Schätzungen der Polizei rollten rund 8.600 Traktoren zum Brandenburger Tor, wie ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag sagte. Das seien deutlich mehr gewesen als die zuvor 5.000 erwarteten Trecker. Die Zahl der Demonstrationsteilnehmer lag laut Polizei "im mittleren vierstelligen Bereich".

Durch die Demonstration war am Dienstag auf einigen Berliner Straßen der Verkehr zeitweise lahmgelegt. Zudem sei es zu einem Verstoß gegen das Waffengesetz und zu drei Verkehrsunfällen gekommen, erklärte der Sprecher. Bei einem Unfall sei eine Polizistin leicht verletzt worden. In mehreren Berliner Stadtbezirken würden zudem Schäden an Grünflächen geprüft, auf denen Traktoren spontan geparkt wurden.

Aufgerufen zu der Protestfahrt hatte die Initiative "Land schafft Verbindung - Wir bitten zu Tisch". Sie fordert unter anderem das Aussetzen des Agarpakets und eine neutrale Erforschung des Insektenrückgangs. Kritik übt die Initiative an aktuellen Umwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen. Vielmehr müsse der "Erhalt der regionalen Lebensmittelproduktion in den Vordergrund" stehen und gestärkt werden.

Weiter forderte die Initiative, "dass gesellschaftliche Wünsche wie zum Beispiel Tierwohl, extensivere Bewirtschaftung (und damit geringerer Ertrag und Gewinn), die Ausbreitung der Wölfe und Umweltschutzmaßnahmen finanziell von der Gesellschaft getragen werden". Bürokratie und Dokumentationspflichten müssten zudem vereinfacht werden.

Der Hallenser Agrarökonom Alfons Balmann sieht wenig Chancen auf Erfolg für die Protestbewegung der Landwirte. Die Forderungen der Bewegung klängen "eher nach Ablenkung von tatsächlichen Problemen als nach Zukunftsperspektiven", sagte Balmann der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag). Er ist Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Halle und Mitglied des Agrarbeirats der Bundesregierung.

Es gehe bei den Forderungen etwa nach einer wissenschaftlichen Neubewertung der Ursachen für das Insektensterben allem Anschein nach eher darum, Veränderung zu verhindern. Es fehle an Aufbruchstimmung, sagte Balmann: "Ich bin skeptisch, ob es am Ende so etwas wie einen Erfolg geben wird."

Nach Ansicht des Professors sind die Proteste grundsätzlich aber nachvollziehbar. Die Regierung habe die Bauern beim sogenannten Agrarpaket kaum beteiligt. Zum Teil seien die politisch beschlossenen Maßnahmen für mehr Insekten- und Umweltschutz populistisch. Das treffe die Landwirte in einer Situation, in der viele, auch größere Betriebe nach zwei Dürrejahren und mageren Fleisch- und Milchpreisen finanziell mit dem Rücken an der Wand stünden. "Da musste der Frust raus."