Experte: Europa müsste sich gegen Nato-Partner Türkei stellen

Experte: Europa müsste sich gegen Nato-Partner Türkei stellen

Berlin/Bonn (epd). Der Vorstoß zur Einrichtung einer internationalen Schutzzone in Nordsyrien bringt die Nato-Mitglieder nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Andreas Heinemann-Grüder in Erklärungsnot. "Die entscheidende Frage ist, ob die Nato- oder EU-Staaten bereit sind, die Türkei zu stoppen", sagte der Friedens- und Konfliktforscher vom Bonn International Center for Conversion (BICC) dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Türkei betreibe eine militärische Invasion in Nordsyrien. Europa müsse die Frage beantworten, ob es sich für die Nato-Mitgliedschaft der Türkei oder für die Verhinderung einer humanitären Großkatastrophe entscheide. "Meine Vermutung ist die Botschaft: Wir wollen auf keinen Fall die Türkei als Nato-Mitglied verlieren", erklärte der Professor für Politikwissenschaften.

Nach seiner Überzeugung müssten schnellstmöglich der Einsatz von schweren Waffen und weitere Bombardements verhindert werden, indem eine Flugverbotszone verhängt werde. Die Nato müsse aber auch bereit sein, eine solche Flugverbotszone durchzusetzen und "notfalls türkische Kampfflugzeuge vom Himmel holen".

Für die Umsetzung des Vorschlags von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer einer Schutzzone sieht Heinemann-Grüder große Hürden. Zum einen werde ein Mandat des UN-Sicherheitsrates und damit auch die Zustimmung von Russland und den USA benötigt, sagte er. Deutschland, das derzeit Mitglied des Sicherheitsrates ist, könnte eine solche Initiative zusammen mit Frankreich und Großbritannien einbringen.

Eine andere Möglichkeit wäre ein Einsatz ohne Mandat. "Das ginge aber nur, wenn die EU zu einer Einigung mit Russland kommt", sagt Heinemann-Grüder: "Man müsste Russland sehr viel anbieten, dass es sich überhaupt darauf einlässt." Falls die Türkei schnelle militärische Erfolge in Nordsyrien erreiche, komme eine Schutzzone zu spät.