"Das tut weh"

"Das tut weh"
Zweiter Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss stellt Abschlussbericht vor
Bereits 1998 und 1999 hätte das NSU-Trio verhaftet werden können. Doch bis zu seinem Auffliegen wurden zehn Menschen getötet. Das hätte nicht sein dürfen, resümiert der zweite NSU-Untersuchungsausschuss im Thüringer Landtag.

Erfurt (epd). Die NSU-Mordserie von 2000 bis 2011 mit zehn Todesopfern hätte verhindert werden können: Zu diesem Schluss kommt der zweite Untersuchungsausschuss zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in seinem Abschlussbericht. Der dreiteilige, mehr 2.200 Seiten lange Bericht "Rechtsterrorismus und Behördenhandeln" wurde am Montag in Erfurt an die Thüringer Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) übergeben.

Um die Mordserie zu verhindern, hätten die Sicherheitsbehörden - auch über die Landesgrenzen hinweg - die bereits 1998 und 1999 vorliegenden Erkenntnisse richtig analysieren und auswerten müssen, sagte die Ausschussvorsitzende Dorothea Marx (SPD). Dass dies nicht geschehen sei, liege neben groben Versäumnissen auch an strukturellen Defiziten bei Justiz, Polizei und Verfassungsschutz. Diese hätten dafür gesorgt, dass das aus Jena stammende Rechtsterroristen-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe erst im November 2011 aufflog.

Diezel erklärte, es sei noch immer erschütternd und beschämend, dass die Täter aus Thüringen stammten. Mit diesem Bericht sei die Aufklärung nicht abgeschlossen. "Wir ziehen keinen Schlussstrich", versprach die CDU-Politikerin. Die Ausschussvorsitzende Marx räumte ein, dass das Gremium die Mordserie nicht wie den Angehörigen der Opfer versprochen umfassend habe aufklären können. Sie wolle nicht von Scheitern sprechen, aber der Ausschuss habe die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht. "Das tut weh", erklärte sie.

Das habe zum einen am "absichtsvollen Verschwinden" von Ergebnissen aus den Ermittlungsakten gelegen. Zum anderen habe sich das Innenministerium geweigert, dem Gremium Einsichten zu den von der Polizei geführten Vertrauens-Personen zu gewähren. Dadurch seien fundierte Aussagen zum Zusammenspiel von NSU und organisierter Kriminalität unmöglich geworden, beklagte die Abgeordnete.

Seitens der Sicherheitsbehörden fehle zum Teil bis heute der analytische Blick auf die Neonazi-Szene und deren Ideologie, bemängelte Katharina König-Preuss, die Linken-Obfrau im Ausschuss. Das habe dazu geführt habe, dass die Gefährlichkeit und die Radikalisierung der rechten Szene nicht wahrgenommen und insbesondere auch deren Vernetzung weitgehend übersehen worden sei. Dies erkläre auch, dass Justiz- und Sicherheitsbehörden teils bis heute an der These des allein agierenden Trios festhielten, sagte König-Preuss.

Dem entgegen stünden die Ergebnisse des Ausschusses. Demnach umfasste das Netzwerk des NSU mindestens mehrere Dutzend Personen, die die Vereinigung wissentlich oder unwissentlich unterstützten. Die Namen dieser Unterstützer lese sich wie das "Who is Who" der rechtsextremen Szene, sagte Marx.

Die rot-rot-grünen Mitglieder im Ausschuss forderten die Bundesregierung auf, die auf Länderebene vorhanden Kenntnisse zum NSU zu vernetzen. So habe man in Erfurt dem Mord an der aus Ostthüringen stammenden Polizistin Michèle Kiesewetter nicht wie erhofft nachgehen können, weil die Bluttat in Stuttgart geschehen sei, sagte Marx. Der Ausschuss regte zudem die Schaffung eines NSU-Archivs an.

Die Abgeordneten wollen den Bericht während eines Sonderplenums des Landtags am Dienstag beraten. Es ist die letzte Sitzung vor der Landtagswahl in Thüringen am 27. Oktober.