Abstimmung über Organspende noch völlig offen

Abstimmung über Organspende noch völlig offen
Die Politik will die Zahl der Organspenden steigern. Zwei Vorschläge liegen auf dem Tisch: Spende bei fehlendem Widerspruch oder nur bei expliziter Zustimmung. Eine Anhörung im Bundestag zeigt: Welcher Plan sich durchsetzt, ist noch völlig offen.

Berlin (epd). In einer Expertenanhörung zu den Plänen für eine Organspendereform hat der zuständige Bundestagsausschuss für Gesundheit am Mittwoch kontrovers über das Thema diskutiert. Befürworter der sogenannten Widerspruchsregelung und Unterstützer der Entscheidungslösung lieferten sich im Ausschuss einen Schlagabtausch. Dabei wurde auch deutlich, dass die Abstimmung im Bundestag noch völlig offen ist.

Die Politik will die Zahl der Organspenden erhöhen. Dazu konkurrieren im Wesentlichen zwei Gesetzentwürfe: Eine Abgeordnetengruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Politiker Karl Lauterbach will die sogenannte Widerspruchsregelung einführen. Danach wären alle Bürger Organspender, die dem nicht widersprechen oder deren Angehörige das nach deren Tod nicht tun, wenn sie über den Willen des Verstorbenen informiert sind.

Eine andere Gruppe um die Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linken-Vorsitzende Katja Kipping will dagegen an der jetzigen Regelung festhalten, wonach nur die Zustimmung Voraussetzung für eine Organspende ist - die sogenannte Entscheidungslösung. Der Willen soll aber regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt aktiv erfragt werden. Daneben liegt ein Antrag der AfD-Fraktion vor, die im Wesentlichen die bisherigen Regelungen beibehalten will.

Der Greifswalder Rechtswissenschaftler Heinrich Lang bezeichnete den Weg der Gruppe um Baerbock als "milderes Mittel". Er äußerte Zweifel daran, dass die Widerspruchsregelung eine verhältnismäßige Regelung wäre. Der Theologe Peter Dabrock bezeichnete die Widerspruchsregelung sogar als "Etikettenschwindel", weil von einer "doppelten Widerspruchslösung" die Rede sei. Die Angehörigen hätten aber kein eigenes Widerspruchsrecht. Es dürfe zudem rechtlich nicht so sein, dass Schweigen als Zustimmung gelte, sagte der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats.

Ebenso viele Experten plädierten auf der anderen Seite für die Pläne von Spahn und dessen Kollegen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte, die Widerspruchsregelung behalte die Balance zwischen dem, was Bürgern zuzumuten sei, und der Hilfe, die Menschen benötigten, die auf ein Organ warten. Er halte die Regelung auch für ethisch zulässig. Der Mainzer Jurist Friedhelm Hufen sagte, wenn man anderer Meinung sei, müsse man aus Eurotransplant ausscheiden. Die gleiche Frage warf auch Spahn auf, der selbst in den Ausschuss gekommen war.

Über Eurotransplant werden Organe zwischen acht europäischen Ländern, darunter Deutschland, nach Dringlichkeit verteilt. In sechs der anderen Länder gilt die Widerspruchsregelung, ab 2020 gilt sie auch in den Niederlanden. Die Voraussetzungen für die Organentnahme sind in den Ländern dabei allerdings unterschiedlich. So gilt nicht überall wie hierzulande der Hirntod als Voraussetzung. Organisationen des Transplantationswesens wie Eurotransplant selbst hatten sich in schriftlichen Stellungnahmen an den Ausschuss für die Widerspruchsregelung starkgemacht.

In der rund zweistündigen Ausschussanhörung wurde die Fragezeit der Abgeordneten jeweils nach der Unterstützerzahl der jeweiligen Anträge verteilt. Dabei entfiel etwa gleich viel Zeit auf die Anträge von Spahn und anderen auf der einen und der Gruppe um Baerbock auf der anderen Seite. Im gleichen Rahmen bewegte sich dabei auch die Fragezeit der Abgeordneten, die sich bislang noch nicht für einen der Entwürfe entschieden haben. Die Entscheidung im Bundestag, die noch nicht terminiert ist, ist damit noch völlig offen. Abgestimmt wird ohne Fraktionszwang.

Die Zahl der Organspender in Deutschland war von fast 1.300 im Jahr 2010 auf knapp 800 im Jahr 2017 zurückgegangen. 2018 gab es 955 Organspender. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation beobachtet dennoch keine Trendwende. So lag die Zahl der Organspender (614) nach Angaben der Stiftung in diesem Jahr bis Ende August um 5,5 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (650).