Soziologin: AfD profitiert von ökonomischer Unsicherheit im Osten

Soziologin: AfD profitiert von ökonomischer Unsicherheit im Osten

Düsseldorf (epd). Angst um den Arbeitsplatz und den sozialen Status in Ostdeutschland ist nach Expertenansicht ein wesentlicher Grund für das starke Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Konkrete ökonomische Unsicherheitserfahrungen seien ein wesentlicher Grund für politische Unzufriedenheit in den neuen Bundesländern, sagte am Montag die Paderborner Soziologieprofessorin Bettina Kohlrausch, die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebene Umfragen dazu ausgewertet hat.

"Während sich im Westen vor allem un- und angelernte Beschäftigte große Sorgen um ihre berufliche und soziale Zukunft machen - und zugleich überdurchschnittlich häufig rechte Parteien wählen -, trifft das in den neuen Bundesländern auch auf Berufsgruppen mit mittlerem Status wie Facharbeiter oder Angestellte mit mittlerem Bildungsabschluss zu", erklärte Kohlrausch. Beispielsweise machten sich Facharbeiter im Osten doppelt so häufig große Sorgen um ihre Arbeitsplatzsituation wie Facharbeiter im Westen (11,9 Prozent Ost, 6,2 Prozent West). Das gehe aus repräsentativen Befragungen hervor, für die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zwischen 2017 und Anfang 2019 knapp 5.000 Wahlberechtigte in Deutschland interviewt wurden.

Angesichts der oft problematischen Transformationserfahrungen nach der Wende sorgt die Aussicht auf künftige Umwälzungen, etwa im Zuge der Digitalisierung, nach Kohlrauschs Analyse unter ostdeutschen Beschäftigten mit mittlerer Qualifikation für besonders große Verunsicherung. So glaubten im Osten deutlich weniger Facharbeiter oder mittlere Angestellte als im Westen, der technische Wandel werde ihren Arbeitsplatz sichern. Im Osten äußerten sich in dieser Hinsicht nur etwas mehr als 40 Prozent zuversichtlich, während der Anteil im Westen bei über 60 Prozent lag.

Solche Verunsicherungen gehen laut Kohlrausch einher mit einer erhöhten Neigung, Rechtspopulisten zu wählen. Die Forscherin zeigt das am Beispiel der Aussage "Ich habe berufliche Chancen in Europa und der ganzen Welt": Dem stimmten in der Befragung ostdeutsche Beschäftigte deutlich seltener zu als Westdeutsche mit gleicher Qualifikation. Und wer keine Chancen für sich sah, wählte im Osten bei der vergangenen Bundestagswahl im September 2017 deutlich häufiger AfD als ein Wahlberechtigter, der zustimmte.

Bei den beiden Landtagswahlen am Sonntag wurde die AfD in Sachsen und Brandenburg jeweils zweitstärkste Fraktion. In Sachsen erhöhte sie nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Landtagswahl 2014 von 9,7 auf 27,5 Prozent; in Brandenburg steigerte sich die AfD von 12,2 Prozent auf 23,5 Prozent.