Paritätischer für steuerpolitischen Kurswechsel

Paritätischer für steuerpolitischen Kurswechsel
Wohlfahrtsverband warnt vor weiterer Spaltung der Gesellschaft
Trotz guter Konjunktur ist die Zahl der Armen in Deutschland in den vergangenen Jahren laut Paritätischem Wohlfahrtsverband nicht zurückgegangen. Er fordert von der Bundesregierung einen Kurswechsel: Eine "neue soziale Sicherheitspolitik" sei nötig.

Berlin (epd). Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht angesichts wachsender sozialer Ungleichheit den gesellschaftlichen Zusammenhalt massiv gefährdet. Trotz einer insgesamt guten gesamtwirtschaftlichen Lage gebe es schwerwiegende und ungelöste soziale Probleme, sagte der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes, Rolf Rosenbrock, am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des Jahresgutachtens seines Verbandes.

"Die Einkommenszuwächse in Deutschland sind höchst ungleich verteilt, die Vermögenskonzentration und damit die Spreizung nehmen zu", sagte Rosenbrock. Das Gutachten spricht von einer immer tiefer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich.

Der Paritätische fordert deshalb einen steuerpolitischen Kurswechsel, um sozialpolitische Reformen zu finanzieren. Die diskutierte Vermögenssteuer könne dabei allenfalls ein erster Schritt sein, betonte Rosenbrock. Auch der Vorschlag einer Grundrente werde unterstützt. Höhere Leistungen seien nötig etwa bei der Grundsicherung und der Arbeitslosenversicherung. Die Pflegeversicherung müsse grundsätzlich 85 Prozent aller pflegebedingten Kosten übernehmen. Die Kosten dafür beliefen sich auf einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag, hieß es.

Zu den Forderungen des Paritätischen zählen auch eine existenzsichernde Kindergrundsicherung, höhere Leistungen für junge Menschen in Ausbildung und Studium sowie ein Mindestlohn deutlich oberhalb von zwölf Euro. Die Regelsätze in der Grundsicherung müssten angehoben werden, mindestens auf 571 Euro zusätzlich zu den Kosten für Wohnung, Heizung und anderen besonderen Leistungen. Auch die Grundsicherung im Alter müsse um mindestens zehn Prozent steigen.

Darüber hinaus spricht sich der Paritätische für einen massiven Ausbau der sozialen Infrastruktur aus. Es gebe extreme regionale Unterschiede. Der kommunale Investitionsstau liege aktuell bei rund 150 Milliarden Euro. Andere Schätzungen gingen sogar vom Dreifachen aus. Benötigt würden Kitas, Schulen sowie Investitionen in Mobilität und Grundversorgung wie etwa Ärzte.

"Dort, wo es viele Menschen mit Unterstützungsbedarf gibt, wiegen die Defizite in der Infrastruktur selbstverständlich ungleich schwerer", sagte Rosenbrock. Dabei ist der Paritätische für einen Vorrang gemeinnütziger Träger, wenn es um Investitionen geht: "Es gibt Bereiche, in denen haben Profitinteressen nichts verloren", sagte Rosenbrock.

Der Paritätische verweist in seinem Gutachten unter anderem darauf, dass die Einkommen des einkommensstärksten Zehntels der Bevölkerung zwischen 1991 und 2016 real um 35 Prozent gewachsen sind. Die Einkommen des einkommensärmsten Zehntels seien hingegen um acht Prozent gesunken. Die Armutsquote sei trotz guter Konjunktur von 2017 auf 2018 nur leicht gesunken und verharre mit 15,5 Prozent auf einem hohen Niveau.

Somit seien Millionen Menschen von der Wohlstandsentwicklung abgehängt. Die Dunkelziffer liege weit höher. Zudem waren 2017 mehr als 7,5 Millionen Menschen auf Mindestsicherung angewiesen. Rund 1,1 Millionen arbeitende Menschen mussten im vergangenen Jahr mit Grundsicherungsleistungen "aufstocken", hieß es weiter.

Die Armutsquote bezeichnet den Anteil der Haushalte, dem weniger als 60 Prozent des Nettodurchschnittseinkommens zur Verfügung steht. Diese Schwelle liegt aktuell den Angaben zufolge bei 1.035 Euro.