Berliner "Uhr der Versöhnung" tickt nach 58 Jahren wieder

Berliner Evangelische Versöhnungsgemeinde
©epd-bild/Juergen Blume
Nach 58 Jahren Stillstand tickt in Berlin die "Uhr der Versöhnung" wieder:
Berliner "Uhr der Versöhnung" tickt nach 58 Jahren wieder

Berlin (epd). Nach 58 Jahren Stillstand tickt in Berlin die "Uhr der Versöhnung" wieder: Das restaurierte Turmuhrwerk stammt aus der 1985 gesprengten Versöhnungskirche im Mauerstreifen, das Ziffernblatt aus der benachbarten Zionskirche. Am Mittwoch wurde die Uhr im Eingangsbereich des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung (EWDE) unweit ihres früheren Standortes von Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und dem Zeitzeugen und früheren Uhrenwart Jörg Hildebrandt feierlich in Gang gesetzt.

Unter dem Motto "Gönn' Dir eine Minute" hatte die Berliner Evangelische Versöhnungsgemeinde seit November 2018 Spender für die Restaurierung und Wiederaufstellung der Uhr gesucht. Sie konnten symbolisch eine Minute zu 45 Euro kaufen oder auch größere Minutenpakete erwerben. Jeder Spender bekam eine Urkunde. Insgesamt kamen den Angaben zufolge 35.000 Euro zusammen.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte die Uhr ein "besonderes Geschenk". Sie sei eine Brücke der Erinnerung an die deutsche Teilung. "Wenige Meter entfernt von unserem heutigen Sitz trennte der Todesstreifen die heutige Hauptstadt. Es ist gut, dass wir täglich daran erinnert werden: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Die 'Uhr der Versöhnung' bringt uns und allen Gästen unseres Hauses diese Erinnerung noch näher", sagte Lilie.

Weil Kirche und Turm der alten Versöhnungskirche mit der Grenzschließung am 13. August 1961 eingemauert wurden, stand das Uhrwerk seit dem Herbst 1961 still. Der damalige Uhrenwart Jörg Hildebrandt, Ehemann der 2001 gestorbenen Brandenburger Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD), stellte in einer Protestaktion am 26. Oktober 1961 die Zeiger der Uhr auf "fünf vor zwölf". Er wehrte sich damit gegen die Schließung der Kirche und die Vertreibung seiner Familie sowie aller benachbarten Ost-Berliner aus dem Grenzgebiet Bernauer Straße. Er sei froh, nun diese Uhr wieder erwecken zu dürfen, sagte Hildebrandt bei der Inbetriebnahme: "Seit heute glaube ich wieder an Wunder."