Hohe Haftstrafe im Chemnitz-Prozess

Hohe Haftstrafe im Chemnitz-Prozess
Verteidigung legt Revision ein und kritisiert Gericht
Im August 2018 wurde in Chemnitz Daniel H. erstochen. Kurz nach der tödlichen Messerattacke hatten rechte Gruppen die Tat für sich instrumentalisiert. Am Donnerstag wurde der angeklagte Syrer zu einer hohen Haftstrafe verurteilt.

Dresden/Chemnitz (epd). Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Chemnitzers ist der Angeklagte Alaa S. zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Das Landgericht Chemnitz folgte am Donnerstag der Anklage und verurteilte den 23-jährigen Syrer wegen gemeinschaftlichen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Er habe Daniel H. am 26. August 2018 zunächst gepackt und getreten sowie danach mit einem Messer mehrfach auf ihn eingestochen, sagte die Vorsitzende Richterin Simone Herberger bei der Urteilsverkündung in Dresden.

Vorausgegangen sei ein Streit mit dem mutmaßlichen Komplizen des Verurteilten. Dieser sei noch immer flüchtig. Bei der Messerattacke wurde zudem eine weitere Person verletzt. Die Taten haben Herberger zufolge kein politisches Motiv. Zudem habe die Kammer unabhängig von politischen und medialen Einflüssen entschieden.

In ihrer Urteilsbegründung betonte die Richterin: Es bestehe kein Zweifel an den Aussagen und der Glaubhaftigkeit des Hauptbelastungszeugen. Er habe den Täter zweifelsfrei erkannt und die Stichbewegungen beschrieben, auch wenn er kein Messer gesehen habe. Unter anderem habe er die Kleidung des Täters exakt beschrieben und weitere Details angegeben, sagte Herberger. Außerdem gebe es weitere Zeugenaussagen. Die Konstruktion einer Falschaussage schloss die Kammer aus.

Die Verteidigung hatte einen Freispruch für Alaa S. gefordert, weil sie den einzigen Zeugen als nicht glaubwürdig ansah und dem Angeklagten keinerlei DNA-Spuren nachgewiesen werden konnten. Sie hat nach eigenen Angaben gegen das Urteil bereits Revision eingelegt. Die Aussagen des Hauptzeugen seien widersprüchlich gewesen und zum Teil widerlegt worden, sagte Verteidigerin Ricarda Lang. Die Beweise reichten für ein zweifelsfreies Urteil nicht aus.

"Wir haben Chancen bei einer Revision", zeigte sich Lang überzeugt. Die nächste Instanz werde jeden Sachverhalt prüfen. Dem Gericht warf sie vor, "nicht unbeeinflusst von den politischen Verhältnissen in Chemnitz" entschieden zu haben. In anderen Bundesländern wäre es aufgrund dieser Beweislage nicht zu einer Verurteilung gekommen, betonte sie. Die Staatsanwaltschaft hatte für zehn Jahre Freiheitsentzug plädiert und zeigte sich nach dem Urteil in ihrem Vorgehen bestätigt.

In seinem "Letzten Wort" vor Gericht hatte Alaa S. betont, er hoffe auf ein gerechtes Urteil. Seine Hoffnung sei auch, dass er nicht das zweite Opfer des Täters und für ihn stellvertretend verurteilt werde. Zudem bedauerte der Angeklagte, was der Familie des Opfers widerfahren sei.

Der Prozess vor dem Landgericht Chemnitz fand aus Sicherheitsgründen in Dresden statt. Alaa S. musste sich seit März vor Gericht verantworten. Er bleibt Richterin Herberger zufolge in Untersuchungshaft. Nach dem Tod des Chemnitzers am Rande des Stadtfestes hatten rechte Gruppen die Tat in den Folgetagen für ausländerfeindliche Demonstrationen instrumentalisiert.