Pakistan droht mit Gewalt in Kaschmir

Pakistan droht mit Gewalt in Kaschmir
Indiens Parlament beschließt Abschaffung von Sonderstatus
Die Antwort aus Pakistan ließ nicht lange auf sich warten. Die Regierung in Islamabad äußert sich empört darüber, dass Indien das Autonomie-Statut für das mehrheitlich muslimische Kaschmir abgeschafft hat.
06.08.2019
epd
Von Agnes Tandler (epd)

Dubai, Neu-Delhi (epd). Pakistan hat Indien nach der Abschaffung des Autonomie-Status von Kaschmir vor einer Eskalation der Gewalt gewarnt. Der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan erklärte am Dienstag vor dem Parlament in Islamabad, es werde mehr Terroranschläge in der umstrittenen Region geben. Pakistan mächtiger Armeechef, Qamar Javed Bajwa, sagte, die Armee sei zu jedem Schritt bereit, um die Bevölkerung in Kaschmir zu unterstützen.

Regierungschef Khan sagte, er werde die Angelegenheit vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bringen. "Indien will ethische Säuberungen in Kaschmir", warnte Khan. Das Parlament in Neu-Delhi beschloss derweil die Änderung des in der Verfassung festgeschriebenen Sonderstatus für den indischen Teil Kaschmirs und die Schaffung eines neuen Bundesstaates in Ladakh.

Die indische Regierung hatte am Montag den seit 1949 in der Verfassung verankerten Sonderstatus von Kaschmir aufgehoben und damit das zwischen Indien und Pakistan umstrittene Gebiet im Himalaya ins Chaos gestürzt. Zuvor hatte die Regierung Tausende Pilger, Touristen und Studenten aufgefordert, das Kaschmir-Tal verlassen.

Auch am Dienstag bestand weiter ein Versammlungsverbot im indischen Teil Kaschmirs. Schulen, Universitäten und Verwaltungen waren geschlossen, Telefonleitungen und Internetverbindungen unterbrochen. Wichtige kaschmirische Politiker - darunter auch die ehemaligen Regierungschefs Mehbuba Mufti und Omar Abdullah - blieben unter Hausarrest. Indien hat in den vergangenen Tagen rund 46.000 weitere Sicherheitskräfte in Kaschmir stationiert.

Die indische Verfassung sicherte bislang Kaschmir in Artikel 370 weitgehende Sonderrechte zu: unter anderem war der Bundesstaat Jammu und Kaschmir berechtigt, seine eigene Verfassung zu haben. Außerdem durften nur Menschen aus Kaschmir im Himalaya-Tal Land erwerben und sich dort ansiedeln. Auch wenn die Autonomie des Bundesstaates in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausgehöhlt wurde, hat sie einen enormen symbolischen Wert für die Bevölkerung.

Der Sonderstatus galt als ein klares Bekenntnis zu einem säkulären Indien, für den sich Staatsgründer und Unabhängigkeitskämpfer wie Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru eingesetzt hatten - als Gegenmodell zum islamischen Staat Pakistan. Viele Kaschmirer befürchten, dass nach der Aufhebung des Sonderstatus die Region "hinduisiert" werden soll. Die BJP-Partei des im Mai wiedergewählten Ministerpräsidenten Narendra Modi war mit dem Wahlversprechen angetreten, Kaschmir voll ins mehrheitlich hinduistische Indien zu integrieren.

Innenminister Damit Shah erklärte vor dem Unterhaus der Volksversammlung, Kaschmir sei ein "integraler Teil von Indien". Die Opposition warf der Regierung eine Verletzung der Verfassung vor. "Diese Nation fußt auf ihren Menschen, nicht auf Stücken von Land", erklärte der oppositionelle Abgeordnete Rahul Gandhi von der Kongresspartei. Der kaschmirische Parlamentarier Mir Fayaz kritisierte, die Entscheidung habe Kaschmir in ein "Freiluftgefängnis" verwandelt.

Das mehrheitlich muslimische Kaschmir ist seit sieben Jahrzehnten ein Zankapfel zwischen Indien und Pakistan, die beide jeweils nur einen Teil des Gebietes verwalten. Als Grenze dient die Waffenstillstandslinie von 1949, die international nicht anerkannt ist. Die beiden verfeindeten Atommächte haben bereits mehrere Kriege um Kaschmir geführt.

Separatisten im indischen Teil von Kaschmir kämpfen seit Jahrzehnten für eine Unabhängigkeit von Indien. Die Entscheidung der indischen Regierung dürfte zu einer neuen Welle von Protesten und Unruhen führen. Indien unterhält eine massive Polizei- und Militärpräsenz in dem umstrittenen Himalaya-Gebiet. Schätzungen gehen von mehr als einer halben Million Sicherheitskräften aus. Der Bundesstaat hat 12,5 Millionen Einwohner.