Vorwurf des Hexenprozesses ist keine verbotene Schmähkritik

Vorwurf des Hexenprozesses ist keine verbotene Schmähkritik

Karlsruhe (epd). Die Meinungsfreiheit darf nicht durch den Vorwurf einer verletzenden oder polemischen Schmähkritik ausgehebelt werden. Dass ein Mann die Verhandlungsführung einer Richterin mit Hexenprozessen oder den früheren nationalsozialistischen Sondergerichten verglich, sei noch keine die Person verletzende Schmähkritik, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. Eine Schmähkritik ist vom Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht gedeckt und verboten. (AZ: 1 BvR 2433/17)

Im konkreten Fall ging es um einen Rechtsstreit wegen vermeintlich mangelhafter Malerarbeiten. Der Kläger wertete die Verhandlungsführung der zuständigen Amtsrichterin als einseitig und lehnte sie wegen Befangenheit ab. Schriftlich erklärte er, dass die Verhandlungsführung stark "an einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten" und an einen "mittelalterlichen Hexenprozess" erinnert. Wegen verbotener Schmähkritik wurde der Kläger zu einer Geldstrafe von insgesamt 270 Euro verurteilt.

Doch der Kläger kann sich auf sein Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Zwar müsse bei einer Schmähkritik die Meinungsfreiheit generell zurücktreten. Eine Verurteilung wegen Schmähkritik komme aber nur in Betracht, wenn eine Äußerung "allein auf die Diffamierung einer Person als solche" zielt. Stehe dagegen eine Aussage im Zusammenhang mit einer Sachauseinandersetzung, sei dies noch keine Schmähkritik. Ob die Äußerung dann zulässig ist, hänge vom Einzelfall ab. Die Meinungsfreiheit müsse in solch einem Fall mit dem Persönlichkeitsrecht abgewogen werden.

Zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehöre, "Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können". Dazu gehöre auch eine polemische Zuspitzung.

Hier habe eine Schmähung, Beleidigung oder Ehrbeeinträchtigung der Person nicht vorgelegen. Es sei vielmehr die Verhandlungsführung kritisiert worden. Dass die Richterin eine nationalsozialistische oder "mittelalterliche" Gesinnung habe, sei nicht unterstellt worden. Der Strafbefehl sei daher rechtswidrig.

Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird der Bundesgerichtshof auch über eine angebliche Schmähkritik des TV-Moderators Jan Böhmermann gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan entscheiden. Böhmermann hatte in einem "Schmähgedicht" in Bezug auf Erdogan geäußert, was genau die Meinungsfreiheit in Deutschland erlaubt und was nicht, etwa den Staatspräsidenten als sexbesessene Person darzustellen. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte weite Teile des Schmähgedichts verboten.