Nachfahren geflohener Juden kämpfen um deutschen Pass

Nachfahren geflohener Juden kämpfen um deutschen Pass
Nachfahren von in der NS-Zeit geflohenen Juden haben nach dem Grundgesetz die Möglichkeit, den deutschen Pass zu erlangen. In der Realität scheitert das offenbar oft an komplizierten Einzelregelungen. Das Innenministerium prüft nun Erleichterungen.

Berlin (epd). Nachfahren von Juden, die während des Nationalsozialismus aus Deutschland geflohen sind, kämpfen einem Medienbericht zufolge derzeit für die deutsche Staatsbürgerschaft. Obwohl das Grundgesetz ihnen den Pass grundsätzlich zuspricht, bekommen ihn viele nicht, heißt es in einem Bericht des Berliner "Tagesspiegels" (Samstag). "Einige kämpfen schon seit 20, 30 Jahren um den deutschen Pass", sagte Nick Courtman der Zeitung. Das Bundesinnenministerium ist sich nach den Worten einer Sprecherin des Problems bewusst und prüft Änderungen der derzeit komplizierten Regelungen.

Courtman ist Enkel einer geflohenen Jüdin und vertritt den Angaben zufolge die Interessen einer Gruppe von rund 100 Briten, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten wollen. Der drohende Ausstieg Großbritanniens aus der EU habe zu Dutzenden neuen Anträgen auf den deutschen Pass geführt, heißt es in dem Bericht.

Die deutsche Verfassung spricht den Nachfahren verfolgter Juden grundsätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft zu. Im Artikel 116 des Grundgesetzes heißt es: "Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern."

In der Praxis werden dem Bericht zufolge die Anträge aber sehr unterschiedlich behandelt. Das Bundesinnenministerium bestätigte etwa, dass es für Nachfahren von jüdischen Frauen, die einen Briten geheiratet haben, schwieriger ist, einen Pass zu bekommen, als für die Ahnen jüdischer Männer. Nach Angaben des Ministeriums galt bis zum Jahr 1975, dass eheliche Kinder nur über ihren Vater die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen konnten. Die Regelung wurde dann wegen der grundgesetzlich garantierten Gleichberechtigung von Mann und Frau aufgehoben. Für Betroffene wurde aber nur eine Frist von drei Jahren eingeräumt, innerhalb derer sie dann den deutschen Pass hätten beantragen können.

Später wurden den Angaben zufolge für alle vor 1953 Geborenen Erleichterungen beschlossen. Dennoch scheinen von dem komplexen Konstrukt noch nicht alle erfasst, die einen Anspruch haben könnten. "Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Regelung, um eine Rechtslage zu schaffen, mit der niemand übersehen wird", sagte eine Innenministeriumssprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach ihren Worten müssen darüber Gespräche mit dem Bundesjustiz- und -finanzministerium geführt werden. Sie erwarte, dass im Herbst eine Regelung vorliegt, sagte sie.