Dalai Lama: Gewaltfreiheit soll die Welt retten

Dalai Lama
Foto: dpa/Boris Roessler
Dalai Lama in Deutschland.
Dalai Lama: Gewaltfreiheit soll die Welt retten
Wenn der Dalai Lama kommt, strömen die Besucher. So auch am Mittwoch in Darmstadt: Die 1.300 Plätze des Kongresszentrums Darmstadtium sind voll besetzt.

Die Tibet-Initiative Deutschland hat das geistliche Oberhaupt der Tibeter eingeladen, dieses Mal zusammen mit zwei weiteren Friedensnobelpreisträgern, dem ehemaligen Solidarnosc-Führer und polnischen Präsidenten Lech Walesa und Rebecca Johnson als Vertreterin der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Zum Quartett ergänzt das Podium die Grünen-Politikerin und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth.

Angst durch Humor schmelzen

Der Dalai Lama erklimmt in rotem Gewand die Stufen zum Podium, eingehakt zwischen Walesa und einem Assistenten. Roth sitzt dem buddhistischen Religionsführer am nächsten, sie drückt ihre Stirn an seine ausgestreckte Hand. Auch die Moderatorin Dunja Hayali fügt dem Handschlag eine Verbeugung hinzu und wirkt gerührt. "Gewaltlosigkeit ist der Weg", lautet das Thema. Das Vorprogramm bestreiten zwei Aktivisten. Sinisa Sikman von der serbischen Organisation Canvas spricht über Lehren aus dem erfolgreichen, gewaltfreien Protest gegen den ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic: "Wichtig ist es, die Angst zu schmelzen, am besten durch Humor."

Auch die Tibeter verfolgten trotz jahrzehntelanger Unterdrückung durch China den gewaltfreien Widerstand, betont die Staatssekretärin der tibetischen Exilregierung, Dhardon Sharling. "Jede Familie in Tibet hat Opfer der Staatsgewalt zu beklagen." Dennoch riskierten die Tibeter weiterhin Haft und Tod für ihren Widerstand. "Sie geben nicht auf - wie können es dann wir?" Nun ist der Dalai Lama an der Reihe. "Der Wunsch nach Frieden nimmt jedes Jahr zu", sagt er, "aber es gibt enorme Gewalt".

Ein Jahrhundert des Dialogs

Als Beispiel einer Lösung führt das Oberhaupt der Tibeter die Europäische Union an: Die EU habe die in Weltkriegen entfachte Gewalt gestoppt und die Kriegsgefahr in ihrem Bereich gebannt. Russland sollte der EU beitreten und am Ende die ganze Welt eine Union bilden, schlägt der Dalai Lama vor. "Dieses Jahrhundert sollte ein Jahrhundert des Dialogs sein." Gewaltfreiheit sei der einzige zukunftsstiftende Weg. Der Buddhist schlägt vor: "Die ganze Welt sollte demilitarisiert werden."

Der Dalai Lama betont die Bedeutung von Mitgefühl und Mitleid. Auf die gewaltsame Vertreibung der Rohingya im buddhistischen Burma angesprochen, sagt er: "Wenn Buddha heute käme, würde er die Rohingya unterstützen." Flüchtlinge sollten allerdings daran denken, in ihre Heimat zurückzukehren und diese wieder aufzubauen, sagt der Dalai Lama mit Bezug auf Europa. Mit Blick auf die Religionen sagt er: "Gott, Buddha oder Allah um Hilfe zu bitten, reicht nicht aus." Wenn wir heute die Religionsstifter träfen, würden sie fragen: "Wer hat die Probleme geschaffen? Ihr habt die Verantwortung!"

Gewaltfreiheit kann Wandel auslösen

Der ehemalige polnische Aktivist und Präsident Walesa führt sein Land als Beispiel an, wie eine gewaltfreie Bewegung einen für unmöglich gehaltenen Wandel schaffen kann. "Keiner der Fachleute hat 1989 geglaubt, dass zu seinen Lebzeiten der sowjetische Kommunismus überwunden wird." Als Methode empfiehlt er: "Man muss den Gegner so lächerlich machen, dass er es nicht mehr wagt, ein Gegner zu sein." Auf Tibet angewandt sollte sich China schämen müssen, das Land zu unterdrücken. Die Polen hätten einen zweiten Grundsatz vorgemacht: "Eine Last, die man nicht alleine heben kann, kann man vereint mit anderen heben."

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"Wenn in Tibet die Menschenrechte angegriffen werden, werde auch ich verletzt", betont Bundestagsvizepräsidentin Roth. "Es gibt kein Recht des Stärkeren und der Aggression." Der gewaltfreie Kampf der Tibeter und des Dalai Lamas sei ein "riesengroßes Geschenk an die Welt". Auf die Kämpfe in Syrien bezogen fragt die Grünen-Politikerin: "Wo bleibt unsere diplomatische und humane Offensive gegen Iran, Russland und die Türkei im Blick auf drei Millionen Menschen in Idlib? Warum sagt niemand in der Nato etwas gegen den Bruch des Völkerrechts durch den Einmarsch der Türkei in Syrien?"