Karle: Tonfall im Streit über Reformationsjubiläum irritiert

Karle: Tonfall im Streit über Reformationsjubiläum irritiert
Die Theologin Isolde Karle kritisiert den Tonfall in der Kontroverse zwischen Theologen über das Reformationsjubiläum. Kirche und wissenschaftliche Theologie hätten mit dem Reformationsjubiläum einzigartige Möglichkeiten, auf Kernanliegen hinzuweisen, beharkten sich aber gegenseitig, schreibt die Professorin für Praktische Theologie an der Ruhr-Universität im Magazin "Zeitzeichen" (Mai-Ausgabe).

Ein Streit im Hause Luthers sei kein Unfall, "aber der Ton, in dem der Streit geführt wird, überrascht durch seine Heftigkeit." Wissenschaftler hatten der Kirche vorgeworfen, Martin Luther und seine Lehre zu verwässern, damit sie massentauglicher feiern kann. Jenseits komplizierter Gefühlslagen gehe es in der Kontroverse um das Verhältnis von akademischer Theologie und Kirche, schreibt Karle. "Mit diesem steht es gegenwärtig nicht zum Besten." So fühle sich die Kirche gelegentlich von den akademischen Theologen im Stich gelassen. Umgekehrt hätten Wissenschaftler in den vergangenen Jahren den Eindruck gewinnen können, dass Kirchenleitungen nicht immer Interesse an wissenschaftlicher Reflexion und Kritik hätten. Eine solche "Entfremdung" sei schädlich.

Mit Blick auf das Reformationsjubiläum schreibt Karle, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) müsse im Hinblick auf die Öffentlichkeit ganz andere Rücksichten nehmen als Lehrstuhlinhaber. Umgekehrt könne die EKD keine unmittelbare Unterstützung ihrer Kirchenpolitik verlangen.

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Anfang März hatte Thies Gundlach, theologischer Vizepräsident des Kirchenamts der EKD, im Magazin "Zeitzeichen" Wissenschaftlern eine "grummelige Meckerstimmung" attestiert und seine Forderung formuliert: "Zuarbeit für große Glaubensentfaltung, die Gottesbewusstsein und Weltrationalität auch im 21. Jahrhundert zusammenbindet." Zwei der angegriffenen Theologieprofessoren aus Göttingen konterten im April-Heft: Der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann und der Systematiker Martin Laube warfen Gundlach eine "theologische Geisterfahrt" vor. Dieser habe kein Interesse an "Bildung und Förderung theologischer Reflexions- und Argumentationskultur", schrieben sie.

Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, die er der Überlieferung nach am 31. Oktober an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.