6,9 Millionen sehen "Terror"-Film im Ersten

6,9 Millionen sehen "Terror"-Film im Ersten
Schuldig oder nicht schuldig? Die deutliche Mehrheit der Fernsehzuschauer stimmte beim TV-Experiment "Terror. Ihr Urteil" für einen Freispruch des Piloten Lars Koch, der in einer moralischen Zwickmühle eine schwere Entscheidung zu treffen hatte.

Frankfurt a.M. (epd). Der Fernsehfilm "Terror. Ihr Urteil" hat dem Ersten eine gute Quote beschert. Der am Montagabend ausgestrahlte Film nach dem gleichnamigen Theaterstück von Ferdinand von Schirach erreichte rund 6,9 Millionen Zuschauer, wie die ARD am Dienstag mitteilte. Das sei ein Marktanteil von 20,2 Prozent. Bei der Abstimmung über das Urteil in dem dargestellten Prozess ergab sich eine eindeutige Mehrheit für einen Freispruch des angeklagten Bundeswehr-Piloten.

In dem Film wird der fiktive Fall des Kampfpiloten Lars Koch verhandelt, der eine Lufthansa-Maschine mit 164 Menschen an Bord abgeschossen hat, um zu verhindern, dass dieses Flugzeug von einem Terroristen in ein Stadion gesteuert wird, in dem sich 70.000 Menschen befinden. Nach dem Film konnte das Publikum darüber abstimmen, ob es den Piloten für schuldig hält. 86,9 Prozent stimmten für Freispruch.

Gemeinsam mit "Hart aber fair" war der Film laut ARD die meistgesehene Sendung des Tages. In der Diskussionsrunde wurde im Anschluss über den Film diskutiert. Rund 6,3 Millionen Zuschauer schalteten ein, ein Marktanteil von 22,5 Prozent.

Baum warnt vor Terrorangst

Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum warnte davor, dass die Terrorangst in der Bevölkerung zu stark um sich greifen und zu Gesetzesänderungen führen könnte. "Wir dürfen die Grundlagen unseres Zusammenlebens nicht ändern, weil wir von Terrorismus bedroht sind", sagte er.

Zum Ergebnis der Abstimmung sagte er, damit habe das Publikum auch gegen das Grundgesetz gestimmt. Der FDP-Politiker hatte 2005 gemeinsam mit seinem Parteikollegen Burkhard Hirsch Verfassungsbeschwerde gegen das Luftsicherheitsgesetz eingelegt, das in einem solchen Fall den Abschuss des Passagierflugzeugs erlaubt hätte. Die Bundesverfassungsrichter kippten 2006 den entscheidenden Paragrafen und sagten, Menschenleben dürften nicht gegen Menschenleben aufgerechnet werden.

Der frühere Verteidigungsminister Franz-Josef Jung fühlte sich durch das Votum des Publikums bestätigt. Die Menschen in dem Flugzeug hätten keine Chance mehr gehabt, sagte der CDU-Politiker. Es gehe hier um das Lebensrecht derjenigen, die im Stadion seien.

Medienwissenschaftler: Moralische Frage behandelt

Die evangelische Theologin Petra Bahr warnte davor, die Abstimmung des Publikums als "Volksjustiz" einzuordnen. Die Zuschauer hätten in diesem Fall nur über das Ende des Films abgestimmt, sagte sie. Sie selbst wolle in diesem Fall nicht wie eine Richterin über schuldig oder nicht schuldig entscheiden. Dies wäre Amtsanmaßung, sagte Bahr, die zum Februar nächsten Jahres das Amt der leitenden Landessuperintendentin in Hannover übernimmt.

Der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres, sagte, der Abend sei ein Experiment mit völlig ungewissem Ausgang gewesen. Dass die Zuschauer derart intensiv in die verhandelte Schuldfrage eingestiegen seien, sei ein beachtlicher Erfolg.

Der Medienwissenschaftler Jo Groebel sagte der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Dienstagsausgabe), in dem Film sei "eine der zentralsten moralischen Fragen der Gesellschaft behandelt" worden. Sie tauche so oder ähnlich immer wieder auf. Groebel erinnerte an den Fall des 2002 entführten und getöteten Jakob von Metzler. Damals hatte ein Polizist dem Entführer Gewalt angedroht, um das Versteck des Jungen zu erfahren und damit sein Leben zu retten.