Brauchen wir Wachstum für Wohlstand?

Foto: Norbert Neetz
Brauchen wir Wachstum für Wohlstand?
Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer feiert 50-jähriges Bestehen
Aus Sicht des EKD-Ratsvorsitzenden ist es höchste Zeit für ein Umdenken in der Wirtschaft. Ob Wachstum dabei Maßstab bleiben sollte, stellt er infrage. Ex-Verfassungsrichter di Fabio warnt: Bitte keine Systemdiskussion über die Marktwirtschaft.


Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, wünscht sich ein weltweites "ökologisches Wirtschaftswunder". Angesichts des Ressourcenverbrauchs dürfe das Wachsen des Bruttosozialprodukts nicht alleiniger Maßstab für wirtschaftlichen Erfolg bleiben, forderte Bedford-Strohm am Mittwoch in Frankfurt am Main bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU). Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio warnte davor, die Marktwirtschaft grundsätzlich infrage zu stellen.

"Rechtsstaatliche Demokratie war noch nie ohne Marktwirtschaft zu haben", sagte der Bonner Rechtswissenschaftler. Der Dreiklang von Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Demokratie sei die Voraussetzung für eine freiheitliche Gesellschaft. "Also bitte keine Systemdiskussion", mahnte di Fabio.

Anstieg des Ressourcenverbrauchs stoppen

"Dass heute nur noch so wenige Menschen verhungern, das hat auch mit der Marktwirtschaft zu tun", sagte der Universitätsprofessor. Zwar sei die Rendite der Antrieb der Marktwirtschaft, doch sie werde getragen vom Menschen als sittliches Wesen. Damit sich Sittlichkeit durchsetzen kann, brauche es starke Institutionen. Es bedürfe "intelligenter Reaktionen" auf "Deformationen" im System der Marktwirtschaft, wie sie sich zum Beispiel infolge der Deregulation der Finanzmärkte zeigten. Unverständnis äußerte di Fabio darüber, dass die Stabilitätskriterien im Euro-Raum derzeit ohne Konsequenzen für die betreffenden Staaten weder eingehalten noch verändert würden.

Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm sagte, die Umweltorganisation WWF habe ausgerechnet, dass die Menschheit bei der bloßen Fortschreibung der gegenwärtigen Entwicklung des weltweiten Ressourcenverbrauchs im Jahr 2030 einen weiteren Planeten bräuchte. "Uns ist aber allen klar, dass wir den nicht haben", betonte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten. An einer grundlegenden Transformation der Wirtschaft führe daher kein Weg vorbei.

Ob ein steigendes Bruttosozialprodukt weiter Ziel bleiben könne, sei für ihn eine offene Frage, sagte der Theologe. Enscheidend sei, den Anstieg des Ressourcenverbrauchs zu stoppen. Peter Leibinger, Stellvertretender Vorsitzender der Trumpf-Geschäftsführung, widersprach: "Das Abkündigen des Wachstums ist falsch." Nur im Wachstum könne sich die Wirtschaft verändern, über die Qualität von Wachstum allerdings könne man streiten. BASF-Vorstandschef Kurt Bock wiederum mahnte an, die "Problemlösungskapazität der Märkte" nicht zu unterschätzen.

Der Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer war 1966 gegründet worden, um innerhalb der evangelischen Kirche Verständnis für unternehmerische Entscheidungen zu wecken. Das Netzwerk protestantischer Unternehmer, Manager und Führungskräfte versteht sich als Bindeglied zwischen Kirche und Wirtschaft und zählt heute rund 600 Mitglieder.

Aus Anlass des Jubiläums stellte der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber in Frankfurt als Mitherausgeber das Buch "Evangelisch. Erfolgreich. Wirtschaften." vor, in dem 35 protestantische Führungskräfte aus der Wirtschaft über ihren Glauben berichten. Es enthält Beiträge unter anderem von Bertelsmann-Vorstand Brigitte Mohn, dem BASF-Vorstandsvorsitzenden Bock und Frank-Jürgen Weise, dem Chef der Bundesagentur für Arbeit.