Papst: "Ich verneige mich vor dem armenischen Volk"

Papst: "Ich verneige mich vor dem armenischen Volk"
Zum Auftakt seine Armenien-Besuches hat Papst Franziskus an den Völkermord vor hundert Jahren im Osmanischen Reich erinnert. Zudem forderte Franziskus die Armenier auf, den Konflikt mit dem Nachbarland Aserbaidschan mit friedlichen Mitteln beizulegen.

Rom/Eriwan (epd). "Ich verneige mich vor dem armenischen Volk", sagte er am Freitag im Präsidentenpalast in der Hauptstadt Eriwan bei einer Begegnung mit Regierungsvertretern. Die Tragödie des Genozids habe den Beginn einer Reihe entsetzlicher Katastrophen im vergangenen Jahrhundert markiert. Diese Verbrechen seien aus rassistischen, ideologischen oder religiösen Motiven begangen worden, die "den Geist der Menschenschinder so weit verdunkelten, dass sie sich das Ziel setzten, ganze Völker auszurotten".

Das Christentum als wichtiges Element seiner Identität habe dem armenischen Volk auch in den tragischsten Momenten die Stärke gegeben, sich wieder aufzurichten, unterstrich der Papst. Die gesamte Menschheit müsse aus den Gräueln des vergangenen Jahrhunderts lernen, um Konflikte friedlich zu lösen, mahnte das Kirchenoberhaupt. Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Armenier und Angehörige anderer christlicher Minderheiten getötet.

Echte Versöhnung möglich

Franziskus forderte die Armenier auf, gerade vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte den Konflikt mit dem Nachbarland Aserbaidschan mit friedlichen Mitteln beizulegen. Ursprünglich hatte er auf seiner Reise beide Staaten, die wegen des Streits um die Region Berg Karabach verfeindet sind, besuchen wollen. Aufgrund von Bedenken aus Eriwan wird er nach Aserbaidschan jedoch erst im Herbst reisen.

Der armenische Präsident Sersch Sargsjan betonte bei der Begegnung, sein Land suche nicht nach Schuldigen und wolle niemanden anklagen. "Wir wollen nur, dass die Dinge bei ihrem Namen genannt werden", sagte er angesichts türkischer Proteste gegen die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern durch zahlreiche Parlamente. Nur wenn die Vergangenheit anerkannt und Vergebung gewährt werde, sei echte Versöhnung zwischen Nachbarvölkern möglich.

Vor dem Empfang im Präsidentenpalast hatte der Papst in der armenisch-apostolischen Kathedrale von Edschmiadsin die Ökumene als Vorbild zur Lösung internationaler Konflikte bezeichnet. "Der ökumenische Geist hat auch außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft einen Vorbildcharakter und ist ein starker Aufruf, Auseinandersetzungen im Dialog zu lösen", sagte er.

Papst-Rede geplant

Die Welt von heute sei von Spaltungen und Konflikten gezeichnet, beklagte das Kirchenoberhaupt. Vor diesem Hintergrund bezeichnete er das Christentum als "Appell, auch Verschiedenheiten in Liebe und gegenseitigem Verständnis zu leben".

Am Samstag will das Kirchenoberhaupt bei einem Besuch der Gedenkstätte für die Völkermord-Opfer in Eriwan eine Rede halten. Bei einer Messe zum Gedenken an den Genozid im römischen Petersdom hatte er im vergangenen Jahr vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" gesprochen. Die Türkei hatte daraufhin ihren Botschafter beim Heiligen Stuhl nach Ankara einberufen.

Auf dem Programm der Reise stehen auch gemeinsame Liturgiefeiern mit der apostolisch-armenischen Kirche und eine gemeinsame Erklärung mit deren Oberhaupt, Karekin II.. Anders als bei anderen Papstreisen übernachtet Franziskus nicht in der Residenz des Vatikanbotschafters, sondern im Palast von Karekin II.