Kassen fordern Meldepflicht für Behandlungsfehler

Kassen fordern Meldepflicht für Behandlungsfehler
Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers zu werden, ist für Patienten eine schlimme Vorstellung. Wie vielen es tatsächlich passiert, lässt sich aber in Deutschland nicht feststellen, kritisieren die Krankenkassen und fordern eine Meldepflicht.

Berlin (epd) Die Krankenkassen fordern eine Meldepflicht für ärztliche Behandlungsfehler. Anders sei es nicht möglich, einen Überblick zu gewinnen, wie viele Patienten durch Kunstfehler geschädigt werden, erklärte der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes der Kassen (MDS) am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung seiner diesjährigen Fehlerstatistik. MDS-Vize-Geschäftsführer Stefan Gronemeyer sagte, zwar verfüge der MDS über den größten Datensatz in Deutschland, doch seien auch diese Zahlen nicht repräsentativ.

Übereinstimmende Ergebnisse

Im vergangenen Jahr haben die Krankenkassen erneut mehr Behandlungsfehler festgestellt als im Jahr zuvor. Danach sind die Gutachter der Kassen 14.828 Vorwürfen nachgegangen. In 4.064 Fällen bestätigten sie den Verdacht des Patienten. Das ist knapp jeder vierte der angezeigten Fälle. 2014 wurden 14.663 Verdachtsfälle untersucht und 3.796 bestätigt. Bei den Kassen steigen die Zahlen, seit vor drei Jahren das Patientenrechte-Gesetz in Kraft getreten ist, das sie verpflichtet, die Versicherten bei einem Verdacht auf einen ärztlichen Kunstfehler zu unterstützen.

Die Schlichtungsstellen der Ärztekammern registrieren demgegenüber jedes Jahr nur halb so viele Kunstfehler-Verdachtsfälle wie die Kassen. Sie haben im vergangenen Jahr 2.132 ärztliche Fehler als Kunstfehler anerkannt. Nach Angaben der Ärzteschaft stehen den Fehlern 688 Millionen Behandlungen in Praxen und 19 Millionen in Kliniken gegenüber.

Die Fehlerstatistiken der Ärztekammern und der Kassen kommen aber übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die meisten Vorwürfe nach Operationen erhoben werden. Dem MDS zufolge bezogen sich 2015 ein Drittel auf orthopädische Behandlungen und die Unfallchirurgie, dann folgen die Allgemeinmedizin und andere Fachärzte und am Ende die Pflege mit fünf Prozent der Vorwürfe. Die Fehler gehen den Angaben zufolge je zur Hälfte darauf zurück, dass Behandlungen gar nicht oder zu spät erfolgten beziehungsweise, dass ein Eingriff oder eine Therapie mangelhaft war.

Gegenstände vergessen

Auf der Basis der Gutachten des Medizinischen Dienstes kann ein Patient entscheiden, ob und welche Schritte er im Falle eines Behandlungsfehlers unternehmen will. Jeder Versicherte kann sich für solche Gutachten an seine Krankenkasse wenden. Kosten entstehen ihm nicht.

Nicht immer kann indes belegt werden, dass ein Gesundheitsschaden Folge des Kunstfehlers ist. Dies erkannten die MDS-Gutachter nur in 3.156 Fällen bei 4.428 festgestellten Behandlungsfehlern. Die meisten Fehler passieren bei Knie- und Hüftgelenksoperationen sowie bei Oberschenkelbrüchen und Zahnbehandlungen.

Besonders schwerwiegende Fehler, die sogenannten "Never-Events" kommen selten vor, sind aber dramatisch: In 35 Fällen vergaßen Chirurgen Gegenstände im Körper ihrer Patienten. In jeweils 15 bis 20 Fälle starben Patienten oder kamen schwer zu Schaden, weil sie nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt waren, lebensgefährliche Befunde nicht weitergegeben wurden oder sie falsche Medikamente bekamen.

In England, wo es eine Meldepflicht für Fehler gibt, die zu Schäden bei den Patienten führen, werden pro Jahr 30.000 solcher Fälle registriert. Für Gronemeyer ist das ein klares Indiz, dass auch in Deutschland eine solche Meldepflicht notwendig ist. Er sagte, niemand wisse, wie viele Kunstfehler es tatsächlich gebe. Selbst jene, die vor Gerichten verhandelt werden oder Fälle, in denen Entschädigungen gezahlt werden müssen, würden nicht zentral erfasst.