Fall Böhmermann: Erdogans Anwalt will bis zur letzten Instanz gehen

Fall Böhmermann: Erdogans Anwalt will bis zur letzten Instanz gehen
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erhöht den Druck in der Böhmermann-Affäre und will notfalls alle Rechtsmittel ausschöpfen. In der öffentlichen Debatte erfährt der ZDF-Satiriker inzwischen vor allem Unterstützung.

Mainz (epd) Das Schmähgedicht von ZDF-Moderator Jan Böhmermann schlägt weiterhin hohe Wellen: Der deutsche Anwalt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Hubertus von Sprenger, will im Rechtsstreit mit dem ZDF-Moderator Jan Böhmermann notfalls alle Rechtsmittel ausschöpfen. Er sei bereit, bis zu den höchsten Gerichten zu gehen, sagte Sprenger am Dienstagabend im "heute journal" des ZDF. "Wenn ich das Mandat annehme, dann ziehe ich es auch durch." Politiker und Prominente stärkten Böhmermann den Rücken.

Strafantrag wegen Beleidigung

Erdogan hatte vor einigen Tagen wegen des Schmähgedichts Böhmermanns in der Sendung "Neo Magazin Royale" persönlich Strafantrag wegen Beleidigung nach Paragraf 185 des Strafgesetzbuchs gestellt. Der Moderator und Satiriker werde aber "sicher keine erhebliche Strafe bekommen, sondern es wird eine Strafe sein, die erforderlich ist, um ihn auf den rechten Weg wieder zurückzuführen, Satire zu machen und nicht mehr plumpe Beleidigungen", sagte Sprenger.

Der Münchner Rechtsanwalt teilte mit, dass Erdogan inzwischen auch zivilrechtlich gegen Böhmermann vorgehe. Der Moderator sei "aufgefordert worden, sich zu verpflichten, das nicht noch mal zu sagen". Ob auch Schadenersatz gefordert werde, stehe noch nicht fest. "Es kann ja durchaus sein, dass er klein beigibt", sagte Sprenger mit Blick auf die geforderte Unterlassungserklärung.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) kritisierte am Mittwoch das Vorgehen Erdogans gegen Böhmermann: "Erdogan legt hier nicht die Souveränität an den Tag, die ein Staatsoberhaupt an den Tag legen muss", sagte er im Fernsehsender Phoenix. Der Vorsitzende der Konservativen, Manfred Weber (CSU), sagte in einer Sitzung des Europaparlaments an Erdogan gewandt: "Sie müssen Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und auch die Minderheitenrechte respektieren, sonst haben Sie nicht verstanden, was Europa bedeutet."

Polenz: Angelegenheit möglichst niedrig hängen

Der Vorsitzende des ZDF-Fernsehrates und ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), rief dazu auf, die Wogen zu glätten. "Wir sollten die Angelegenheit möglichst niedrig hängen", sagte Polenz der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwochsausgabe). Die seit 2005 laufenden Beitrittsgespräche mit der Türkei müssten fortgesetzt werden. "Die Beratungen über das Kapitel 23 sollten endlich eröffnet werden, in denen es um Grundrechte und Meinungsfreiheit geht, die die Türkei einhalten muss."

Die Türkei verlangt auch förmlich eine Strafverfolgung Böhmermanns wegen der Beleidigung von Organen ausländischer Staaten. Die Bundesregierung muss eine Ermächtigung erteilen, wenn hierzu weitere Ermittlungen nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches möglich sein sollen. Dafür will sie sich mehrere Tage Zeit lassen.

Der frühere NRW-Verfassungsrichter Michael Bertrams sprach sich wie am Vortag SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann für eine Abschaffung des Paragrafen 103 aus. Dieser sei ein Überbleibsel aus der Kaiserzeit und gehöre gestrichen, sagte der ehemalige Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwochsausgabe). Das Bundesjustizministerium äußerte sich dazu zurückhaltend. Es gebe Gespräche zu dem Thema, aber keinen eigenen Vorstoß, sagte eine Sprecherin am Mittwoch in Berlin.

Künstler und Prominente für Einstellung der Ermittlungen

Rund 70 Künstler und Prominente forderten in einem offenen Brief die Einstellung der Ermittlungen gegen Böhmermann. "Diskussionen über und Kritik an Jan Böhmermanns Erdogan-Gedicht gehören in die Feuilletons des Landes und nicht in einen Mainzer Gerichtssaal", heißt es in dem Schreiben, das die Wochenzeitung "Die Zeit" in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht.

"Bild"-Herausgeber Kai Diekmann narrte das Netz am Mittwoch mit einer eigenen Satire. Unter der Ankündigung "Jan Böhmermann bricht sein Schweigen!" veröffentlichte er auf seiner Facebook-Seite ein gefälschtes Interview mit dem Satiriker. Nur wenig später löste Diekmann die Täuschung mit einer Twitter-Nachricht wieder auf.

Böhmermann hatte dem umstrittenen Gedicht, das er in seiner Sendung verlesen hatte, vorausgestellt, dass er mit diesem die Grenzen dessen überschreite, was Satire dürfe. Das ZDF löschte das Gedicht, in dem Böhmermann den türkischen Staatspräsidenten unter anderem "sackdoof, feige und verklemmt" genannt hatte, aus der Mediathek.