Berlin (epd)In Europa tragen immer weniger Staaten Deutschlands Kurs in der Flüchtlingspolitik mit. Auch in der deutschen Politik wird der Ruf nach einer Begrenzung der Flüchtlingszahl lauter. Am Sonntagabend fragte Anne Will in ihrer Talksendung in der ARD: "Wann steuern Sie um, Frau Merkel?" Die Antwort war bereits nach wenigen Minuten gegeben. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass der Weg, den ich eingeschlagen habe, richtig ist", sagte Merkel.
Es war bereits das zweite Mal binnen vier Monaten, dass die Kanzlerin der Journalistin Anne Will Antworten auf Fragen zu ihrer Flüchtlingspolitik gab. Wieder warb Merkel für ihre Strategie: Fluchtursachen bekämpfen, EU-Außengrenzen sichern, Kontingente einrichten und die Lasten fair unter allen EU-Mitgliedsländern verteilen. Sie wolle Europa zusammenhalten, sagte Merkel, gleichzeitig aber auch Humanität zeigen. Nationale Lösungen wie einseitige Grenzschließungen lösten das Problem nicht.
"Ganz wichtige Phase unserer Geschichte"
Die Kanzlerin machte auch deutlich, warum sie von ihrem Weg nicht abweichen will. Es gehe um das Bild Deutschlands. "Das ist eine ganz wichtige Phase unserer Geschichte", sagte sie. Sie wolle eine Lösung, "bei der wir uns in ein, zwei Jahren nicht schämen müssen". Erstmals nannte sie damit einen Zeithorizont für ihren Weg, der nach ihren eigenen Worten eine "gewisse Zeit" benötigen werde.
Vor dem nächsten EU-Gipfel zur Flüchtlingspolitik am 7. März, bei dem auch die Türkei vertreten sein wird, warb Merkel eindringlich um Zustimmung der anderen Staaten, denen ihre Strategie zu lange dauert und die deswegen auf Grenzschließungen setzen. "Es geht nicht, dass wir Griechenland jetzt einfach sitzenlassen", sagte sie. Nach der Schließung der griechisch-mazedonischen Grenze sitzen derzeit Tausende Flüchtlinge in Griechenland fest.
Auch an ihrem "Wir schaffen das" hielt Merkel fest. Der Satz - erstmals gefallen im Sommer vergangenen Jahres - sei heute umso richtiger, "weil er eine Richtung vorgibt", sagte sie. Merkel dankte allen Haupt- und Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe, räumte zugleich aber ein, sie sehe eine Polarisierung der Gesellschaft. Auch in Familien werde derzeit kontrovers über die Flüchtlingssituation gesprochen.
Absage an Gabriel-Forderung
Dabei machte die Bundeskanzlerin deutlich, was sie "abstoßend" und "schrecklich" findet: Bilder wie kürzlich in Clausnitz, wo etwa 100 Menschen gegen Flüchtlinge hetzten, die in eine neue Unterkunft einziehen sollten. Harte Diskussionen seien richtig und notwendig, sagte Merkel. Klar müsse aber auch sein, dass für jeden in Deutschland gelte: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Im Fernsehinterview erteilte die Kanzlerin zudem SPD-Chef Sigmar Gabriel mit seiner Forderung nach mehr Geld für die einheimische Bevölkerung eine Absage. Den Bedarf für eine neue große Anstrengung sehe sie nicht, sagte sie. Vizekanzler Gabriel hatte ein Sozialpaket gefordert, damit nicht der Eindruck entstehe, es würde nur noch etwas für die Flüchtlinge getan.
Solch eine Annahme würde sie sich gar nicht erst zueigen machen, sagte Merkel. Gabriel und die SPD machten sich damit klein, weil in dieser Wahlperiode viel für die einheimische Bevölkerung erreicht worden sei, sagte Merkel und verwies unter anderem auf die Renten- und Pflegereform sowie auf die Erhöhung des Kindergelds.