Schau in Münster zeigt andere Seite Le Corbusiers

Schau in Münster zeigt andere Seite Le Corbusiers

Der Weltberühmte Architekt Le Corbusiers widmete sich auch der Malkunst. Mit beeindruckender Leidenschaft. Jetzt sind seine Werke in einer Ausstellung im Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster zu sehen.
12.02.2016
epd
Heiko Ostendorf (epd)

Münster (epd)Wer bei dem Namen Le Corbusier lediglich an riesige Gebäudekomplexe denkt, an Wohnsilos, die mit ihrer harten Architektursprache eine futuristische Moderne ausdrücken, der wird von den Zeichnungen des Schweizer Architekten überrascht sein. "Ich habe mit Lust und Begeisterung gezeichnet", schrieb Le Corbusier in einem Brief 1917. Und die ab Samstag zu sehende Ausstellung "Zeichnen als Spiel" im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster vermittelt einen imposanten Eindruck dieser Leidenschaft.

Der 1887 als Charles-Édouard Jeanneret im schweizerischen La Chaux-de-Fonds geborene Architekt habe sich sein Leben lang vormittags dem Zeichnen und nachmittags der Architektur gewidmet, erklärt Danièle Pauly, Expertin für die künstlerischen Arbeiten Le Corbusiers und wissenschaftliche Beraterin der Ausstellung. "Das Zeichnen war für ihn fundamental", berichtet die Professorin. Das Skizzieren sei für ihn Arbeitsutensil gewesen, um Formen und Licht zu entdecken und zu analysieren.

Seit 1907 ist Le Corbusier daher auf Reisen gegangen und hat in Deutschland, Italien sowie im Orient berühmte Bauwerke der Geschichte auf Papier festgehalten. Bei seinen von 1911 stammenden aquarellierten Zeichnungen der Akropolis macht der Titel der Ausstellung "Zeichnen als Spiel" besonders Sinn. "Ich habe einen smaragdgrünen und zinnoberroten Parthenon gemacht. Einen anderen in Zinnoberrot und Schwarz. Und neulich den Jupitertempel in Schwarz, Grün und Unterhosenrosa", schrieb er im selben Jahr.

Ausprobieren von Formen und Effekten

In der Tat wirken die farblichen Verfremdungen wie die Lust eines Kindes am spielerischen Umgang mit dem Gesehenen. Ähnlich ging Le Corbusier mit dem Potsdamer Schloss Sanssouci oder der Stadtansicht Frankfurts um.

Dass für den Schweizer Zeichnen auch Ausprobieren und Kennenlernen von Formen und Effekten war, zeigen seine Stillleben. In klaren Linien untersucht der Architekt, wie sich Formen durch transparente Objekte wie Flaschen, Karaffen oder Gläser betrachtet verändern. In dem Arrangement von 1920 aus Teller, Flasche und Musikinstrument wird seine Zeichnung quasi bereits architektonisch. Er vertritt hier schon einen Purismus, der die Gegenstände architektonisch aufeinander bezieht und das Bild als Raum begreift.

Vom Kubismus beeinflusstes Werk

Zuvor stand Le Corbusier noch unter dem Einfluss des Kubismus. Das zeigt die Entwicklung von Studien über die Hafenansicht von La Rochelle, die er in eine kubistische Landschaft überführt und in der er verschiedene Perspektiven nebeneinanderstellt und geometrisch miteinander verbindet. Aber auch die Einflüsse Pablo Picassos und Fernand Légers zeigen sich in seinen Skizzen. Besonders nach dem er 1916/17 den weiblichen Akt für seine grafischen Werke entdeckte.

Ähnlich wie Picasso sammelte Le Corbusier Gegenstände, zeichnete gesammelte Muscheln ab. 1946 fand er am Strand von Long Island einen Krebspanzer. Aus dieser Skizze entstand das Dach seiner berühmten Chapelle Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp, deren geschwungenen Formen aus klaren Linien bestehen, aber doch die Nähe zu den Naturbeobachtungen des Architekten verraten. Dieser Dialog zwischen Beobachtung und Verwirklichungen in seinen Gebäuden wird in dieser Ausstellung besonders deutlich.

Als Architekt in der Nähe zum Faschismus

Le Corbusier ist als Künstler allerdings kaum bekannt. Schon sein Lehrer an der Schweizer Kunstgewerbeschule École d Art in La Chaux-de-Fonds, wo er Gravieren lernte, attestierte ihm, kein Talent für die Malerei zu haben. Und auch seine Zeichnungen sind weniger eigenständig als vielmehr den Einflüssen anderer großer Künstler ausgesetzt. Besonders Picasso versuchte Le Corbusier sich anzunähern, sah er sich doch als der Picasso der Architektur.

Dass er als Architekt keine Scheu hatte, sich dem Faschismus anzudienen, verheimlicht Le-Corbusier-Kennerin Danièle Pauly nicht. "Er hat die Nähe zum Vichy-Regime in Frankreich und Mussolini in Italien gesucht, um Aufträge zu bekommen", sagt die Französin. Allerdings habe er ihrer Meinung nach dem Faschismus nicht nahe gestanden, obwohl er nachweislich Antisemit gewesen sei. Sie macht eher eine Unbedarftheit im Umgang mit politischen Richtungen bei Le Corbusier aus.

Die Ausstellung verrät wenig über das politische Hin-und-her zwischen Faschismus und Kommunismus Le Corbusiers, dagegen aber viel über die Ursprünge seiner architektonischen Arbeiten und zeigt einen Architekten, dessen künstlerischer Hintergrund bisher selten beachtet wird. Seine wilden, expressionistischen Darstellungen von Menschen lassen sich dagegen schwer mit seinen von Kritikern oft als menschenfeindlich bezeichneten Stadtplanungen mit riesigen Wohnanlagen zusammenbringen.