WDR: Weiterer Missbrauchsfall im Bistum Hildesheim

WDR: Weiterer Missbrauchsfall im Bistum Hildesheim
Im katholischen Bistum Hildesheim soll es nach Recherchen des WDR einen weiteren mutmaßlichen Missbrauchsfall gegeben haben.

Hildesheim, Köln (epd)Eine 39-jährige Frau habe sich gemeldet und von sexuellen Übergriffen durch den inzwischen suspendierten Priester Peter R. in ihrer Jugend berichtet, teilte der Sender am Mittwoch in Köln mit. Es handele sich um die Mutter einer heute 20-jährigen Frau, die im vergangenen Jahr selbst sexuelle Übergriffe durch den pensionierten Pfarrer öffentlich gemacht hatte, die sie als Elfjährige erlebt hatte. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, forderte unterdessen Aufklärung.

Bistum in Kenntnis

In der WDR-Dokumentation "Richter Gottes", die am Mittwochabend gesendet werden sollte, schildere die Frau, dass auch sie ab 1993 als Jugendliche von dem Geistlichen sexuell belästigt worden sei, hieß es. Das Bistum Hildesheim sei seit September 2015 über ihren Fall informiert, dort habe aber bislang niemand Kontakt zu ihr aufgenommen.

Das Bistum bestätigte, es bestehe bislang kein Kontakt zu der Frau. Die näheren Umstände dieses Falles und die erhobenen Vorwürfe, "waren dem Bistum bisher nicht bekannt", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Die Großeltern des Mädchens, das im vergangen Jahr die Übergriffe öffentlich gemacht hatte, hätten am 18. September 2015 ein Gespräch mit Weihbischof Heinz-Günter Bongartz und Schwester Ancilla Schulz, der Ansprechpartnerin für Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs, gehabt. Darin hätten sie mitgeteilt, dass die Mutter des Mädchens ebenfalls Opfer eines sexuellen Missbrauchs durch Peter R. geworden sei. Daraufhin habe das Bistum im Januar 2016 die Staatsanwaltschaft Berlin eingeschaltet.

Im Jahr 2010 sei von dritter Seite gegenüber dem damaligen Personalchef des Bistums lediglich "der allgemeine Verdacht kommuniziert worden, dass wahrscheinlich auch die Mutter des Mädchens von Peter R. sexuell belästigt worden sei". Die Mutter sei aufgefordert worden, sich beim Bistum zu melden, sei dem aber nicht nachgekommen.

Vertuschungsvorwürfe abgewiesen

Der Missbrauchsbeauftragte Rörig sagte dem WDR: "Ich fordere das Bistum Hildesheim auf, dass sie jetzt einen unabhängigen Ermittler einsetzen, der schaut, ob da weitere Straftaten im Raum stehen." Er habe den Eindruck, dass es immer noch eine Tendenz gebe, die Institution schützen zu wollen, indem Informationen zurückgehalten und Tatsachen nicht nach außen getragen würden. So werde Transparenz verhindert. Der Beauftragte hatte am Dienstag die Mitglieder einer unabhängigen Kommission berufen, die in den nächsten drei Jahren die Fälle von Kindsmissbrauch in Deutschland untersuchen und aufarbeiten soll.

Peter R. gilt als einer der Haupttäter im Missbrauchsskandal am Berliner Gymnasium Canisius-Kolleg, der im Januar 2010 bekanntwurde. Seine dortigen Taten aus den 70er und 80er Jahren sind aber inzwischen verjährt. Später arbeitete er rund 20 Jahre im Bistum Hildesheim.

Der Fall der heute 20-jährigen Tochter hatte bei seinem Bekanntwerden Ende 2015 für Schlagzeilen gesorgt, da das Bistum Hildesheim zunächst keinen Hinweis auf einen Missbrauch gesehen hatte. Das Mädchen hatte sich im März 2010 als 14-Jährige den Verantwortlichen des Bistums anvertraut. Diese schalteten erst mehrere Monate später die Staatsanwaltschaft ein. Nach Kritik und Rücktrittsforderungen räumte der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle im vergangenen Dezember Fehler ein, wies Vertuschungsvorwürfe aber zurück.