Vatikan betont Sonderstellung der jüdisch-katholischen Beziehungen

Vatikan betont Sonderstellung der jüdisch-katholischen Beziehungen
Kardinal Reinhard Marx begrüßt klare Absage an Judenmission
Juden und Christen können gleichsam als zwei Geschwister gesehen werden. Diese Aussage findet sich in einem neuen Vatikan-Dokument zum Dialog mit dem Judentum.

Der Vatikan hat die Sonderstellung der jüdisch-katholischen Beziehungen im interreligiösen Dialog betont. Die Konzilserklärung "Nostra aetate" von 1965 habe die "grundlegende Wertschätzung" des Judentums unterstrichen, heißt es in einem Vatikan-Dokument, das am Donnerstag in Rom vorgestellt wurde. Seither seien aus den Gemeinschaften, die sich einst skeptisch gegenüber gestanden hätten, "verlässliche Partner und sogar gute Freunde geworden". Der Dialog zwischen Juden und Christen sei "in theologischer Hinsicht nicht Kür, sondern Pflicht", hebt das Papier hervor.

Die vom Zweiten Vatikanischen Konzil am 28. Oktober 1965 verabschiedete Erklärung "Nostra aetate" ("In unserer Zeit") gilt als Meilenstein im Dialog der römisch-katholischen Kirche mit nichtchristlichen Religionen. In dem von der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum vorgelegten Bilanzdokument zu 50 Jahren jüdisch-katholischer Dialog heißt es, dass "die katholische Kirche keine spezifische Missionsarbeit, die auf Juden gerichtet ist, kennt und unterstützt".

Dass die Juden Anteil an Gottes Heil haben, stehe theologisch außerfrage

Trotz dieser prinzipiellen Ablehnung einer institutionellen Judenmission seien Christen dennoch aufgerufen, auch Juden gegenüber Zeugnis von ihrem Glauben abzulegen. Vor dem Hintergrund der "großen Tragik der Schoah" sollten sie dies jedoch in einer "demütigen und sensiblen Weise tun, und zwar in Anerkennung dessen, dass die Juden Träger des Wortes Gottes sind".

Aus dem christlichen Bekenntnis, dass es nur einen Weg zur Erlösung geben könne, folge in keiner Weise, dass die Juden von Gottes Heil ausgeschlossen wären, weil sie nicht an Jesus Christus als Messias Israels und Sohn Gottes glaubten. Die christliche Verkündigung wurzele in der Geschichte Israels. In dem Text wird auch der Vorstellung widersprochen, die Kirche trete an die Stelle Israels. Israel bleibe das von Gott erwählte Volk, heißt es. Dass die Juden Anteil an Gottes Heil haben, stehe theologisch außerfrage: "Doch wie dies ohne explizites Christusbekenntnis möglich sein kann, ist und bleibt ein abgrundtiefes Geheimnis Gottes."

Durch Schoah Beziehungen zum Judentum überdacht

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bezeichnete das neue Dokument als eine "Ermutigung, den christlich-jüdischen Dialog mit noch größerem Engagement fortzuführen". Mit der prinzipiellen Absage an eine institutionelle Judenmission werde ein Hindernis in den christlich-jüdischen Beziehungen beseitigt. Das christlich-jüdische Gespräch müsse in der theologischen Ausbildung, im Religionsunterricht und in den Gemeinden noch mehr als bisher verankert werden, empfiehlt Marx. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will bis 2017 ihre Haltung zur umstrittenen Judenmission klären, wie Synodenpräses Irmgard Schwaetzer im November ankündigte.

Ohne Erwähnung der Kontroverse um die 2007 von Papst Benedikt XVI. neu gefasste Karfreitagsfürbitte für Juden in der alten lateinischen Messe räumt das neue Vatikan-Dokument ein, dass der "Dialog in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer spannungsfrei" gewesen sei. Die katholische Kirche sei jedoch durch die Schoah veranlasst worden, ihre Beziehungen zum Judentum zu überdenken, heißt es.

Hinweis auf zentrale Rolle des "Landes Israel" für religiöses Leben des Judentums fehle

Das 17 Seiten umfassende Papier mit dem Titel "Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt" ist laut Vatikan kein Dokument des kirchlichen Lehramtes, sondern Anregung für weitere theologische Reflexion. Die Kirche stünde ohne ihre jüdischen Wurzeln in der Gefahr, ihre heilsgeschichtliche Verankerung zu verlieren, schreibt Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Einheitsrates. "Jesus war Jude, in der jüdischen Tradition seiner Zeit beheimatet und entscheidend geprägt von diesem religiösen Umfeld." Wegen des gemeinsamen Ursprungs sei der Austausch mit dem Judentum weniger ein interreligiöser als vielmehr ein innerfamiliärer Dialog.

Als Vertreter des Judentums würdigte Rabbiner David Rosen vom American Jewish Commitee bei der Vorstellung des Textes die Fortschritte im christlich-jüdischen Dialog. Es fehle in dem Dokument jedoch ein Hinweis auf die zentrale Rolle, die das "Land Israel" im religiösen Leben des Judentums spiele.