Verbandsvorsitzende: Der Tod eines Kindes ist wie eine Stunde null

epd-bild / Dethard Hilbig
Grab eines Kindes.
Verbandsvorsitzende: Der Tod eines Kindes ist wie eine Stunde null
Der Tod eines Kindes verändert das Leben der Eltern dramatisch. Die Gesellschaft müsse mehr auf die Bedürfnisse von trauernden Müttern und Vätern eingehen, sagt Petra Hohn vom Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister.
20.11.2015
epd
Luise Poschmann (epd-Gespräch)

Leipzig (epd)Zwar sei die Anteilnahme kurz nach dem Verlust eines Kindes sehr groß. Doch dann nehme die Hilflosigkeit im Umgang mit den Trauernden zu, erläuterte Petra Hohn, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Am Wochenende wird der Totensonntag begangen, bei dem evangelische Christen Verstorbener gedenken.

Betroffene Eltern brauchten meist drei bis fünf Jahre, um "überhaupt wieder eine Idee zu bekommen, wie es weitergehen soll", sagte Hohn. Der Tod des Kindes sei wie eine Stunde null: Das frühere Leben sei beendet. Nach dem Verlust müssten die Eltern selbst wie Kleinkinder von vorne in einem neuen Lebensmodell anfangen. Von den Trauernden werde aber erwartet, "dass sie sich nach einer gewissen Zeit wieder ins normale Leben einfügen." Dabei sei dies kaum möglich.

Der Trauerprozess sei unabhängig von der Todesursache des Kindes besonders kompliziert und langwierig, sagte Hohn. Die Eltern durchlebten alle Phasen der Trauer oft sehr heftig. Wut, Neid, Schuldgefühle oder Scham - das alles gehöre dazu, erläuterte Hohn. "Doch genau dafür hat die Gesellschaft kein Verständnis", fügte sie hinzu.

Berührungsängste abbauen

Die Menschen müssten nach Ansicht von Hohn wieder lernen, offener mit dem Tod umzugehen und Berührungsängste abzubauen. "Selbst Angehörige von Berufsgruppen, die oft mit dem Sterben zu tun haben, sind teilweise mit dem Tod eines Kindes überfordert", sagte sie.

Hilfreich sei ein Blick in andere Kulturen: So gebe es Traditionen in anderen Ländern, bei denen sich die Familie einmal im Jahr auf dem Friedhof treffe und sozusagen gemeinsam mit den Verstorbenen ein Fest feiere. "Bei uns würde da schon allein die Friedhofsordnung im Wege stehen", sagte Hohn. Sie wünsche sich mehr Offenheit und Freiheit beim Umgang mit dem Tod und der Gedenkkultur, erklärte Hohn. Im Bestattungswesen sei allerdings in den vergangenen Jahren schon viel erreicht worden.

Der Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister wurde 1997 gegründet. Er bringt Betroffene und Helfer zusammen und bildet Leiter von Selbsthilfegruppen in der Trauerbegleitung aus. Ein wissenschaftlicher Beirat, unter anderem besetzt mit Medizinern, Sozialarbeitern und Theologen, unterstützt die Arbeit des Verbandes.