Käßmann: Europa braucht die Flüchtlinge

Foto: © epd-bild / Hanno Gutmann/Hanno Gutmann
Margot Käßmann bei einem Gottesdienst zum Reformationstag 2012 in der Wormser Dreifaltigkeitskirche.
Käßmann: Europa braucht die Flüchtlinge
Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat dazu aufgerufen, den Zuzug von Flüchtlingen als Chance zu begreifen. Käßmann predigte im Gottesdienst zur Eröffnung des Themenjahrs "Reformation und die Eine Welt" im Rahmen der Lutherdekade, das die globale Dimension der Reformation in den Mittelpunkt rückt.

"Europa hat Mangel und braucht Menschen, die neue Wege zeigen", sagte sie am Reformationstag in der Thomaskirche im französischen Straßburg. Europa sollte durch kreative junge Menschen ebenso bereichert werden wie durch Menschen, "die zu schätzen wissen, wie sehr wir in Wohlstand und Sicherheit leben", erklärte die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) laut Manuskript.

Käßmann predigte im Gottesdienst zur Eröffnung des Themenjahrs "Reformation und die Eine Welt" im Rahmen der Lutherdekade, das die globale Dimension der Reformation in den Mittelpunkt rückt. Mit der 2008 gestarteten Lutherdekade bereiten Staat und EKD gemeinsam das 500. Reformationsjubiläum 2017 vor.

Wenn die Europäer ihre Perspektive wechseln könnten, "sind diejenigen, die über das Mittelmeer kommen, keine Gefahr, sie bedrängen uns nicht, sondern wir können uns freuen, dass sie kommen", sagte die frühere EKD-Ratsvorsitzende.

Mit Blick auf das "beispiellose Flüchtlingsdrama dieser Tage, das sich im Mittelmeer und in den Balkanländern abspielt" kritisierte Käßmann die politisch Verantwortlichen: "Die Politik hat keine Konzepte, wie sie mit der Not der Menschen umgehen soll."

Auch bedauerte Käßmann, dass es Fremdenhass in Europa gebe. Hörbar und sichtbar sei aber auch "die christliche Kultur der Barmherzigkeit, die unseren Kontinent geprägt hat".

Die Theologin bezog sich in ihrer Predigt auf den Apostel Paulus, der mit seinen Gefährten damals ebenfalls über das Mittelmeer in den Norden Griechenlands fuhr, weil er zur Hilfe gerufen worden war. Angesichts dessen, dass Paulus laut Überlieferung in Philippi mit der Verkündigung von Jesu Lehre scheiterte und verhaftet wurde, sagte Käßmann: Erfahrungen des Scheiterns und der Ausweglosigkeit könnten "offen und frei" machen für neue Wege.

Das gelte für Menschen, Kirchen und auch Länder, sagte die Reformationsbotschafterin in Straßburg. So hätten Deutsche und Franzosen "manche Sackgassen erlebt in ihren Beziehungen, bevor wir uns wie heute an so großer Gemeinsamkeit und gewachsener Gemeinschaft freuen können". 

Am Reformationstag feiern Protestanten in aller Welt ihre Ursprünge. Vor fast 500 Jahren, am 31. Oktober 1517, verbreitete Martin Luther seine 95 Thesen gegen kirchliche Missstände. Das Datum gilt als Beginn der Reformation. In der Lutherdekade, die 2008 in Wittenberg startete, steht jedes Jahr ein anderes Thema im Mittelpunkt.