Koalition vor der Flüchtlingsfrage

epd-bild/Matthias Schumann
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besucht die Flüchtlingsunterkunft in Heidenau im August 2015. Die Bewältigung der steigenden Flüchtlingszahlen vergleicht Merkel sogar mit den Anstrengungen der deutschen Einheit.
Koalition vor der Flüchtlingsfrage
Die Politik zeigt sich herausgefordert, aber nicht überfordert
In der Flüchtlingspolitik will die Bundesregierung schnell handeln. Die Koalition sucht nach dem richtigen Umgang mit der steigenden Zahl Asylsuchender. Union und SPD sind nicht in allen Punkten einer Meinung.

Berlin (epd)Am Sonntag will die Koalition ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik bestimmen. Momentan überschlagen sich Ereignisse und Meldungen: Die Bundesregierung passte inzwischen ihre Prognose an - bis zu 800.000 Flüchtlinge sollen in diesem Jahr Deutschland erreichen. Immer mehr Menschen drängen aus dem Osten Richtung Deutschland, Ungarn kann und will sie nicht mehr aufhalten. Zugleich nehmen Angriffe auf Asylunterkünfte zu. Spätestens seitdem sprechen Politiker angesichts der steigenden Flüchtlingszahl von einer "nationalen Herausforderung". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verglich sie sogar mit den Anstrengungen der deutschen Einheit.

Herausgefordert, aber nicht überfordert

Die Koalition will nun zeigen, dass sie die Lage bewältigen kann, herausgefordert, aber nicht überfordert ist, wie es Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wiederholt betonte. Ein ganzes Paket an Maßnahmen haben Union und SPD im Blick - und sich mit jeweils eigenen Papieren vor dem für Sonntag geplanten Koalitionsausschuss positioniert.

Darin findet sich zunächst einmal viel Einigkeit. Beide Parteien betonen, Länder und Kommunen künftig stärker bei der Flüchtlingsversorgung zu entlasten. Auch beim Bestreben, Asylverfahren zu beschleunigen, mehr Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen, mehr Deutsch- und Integrationskurse anzubieten und nicht zuletzt auch in Europa um mehr Solidarität zu werben, gibt es bei Union und SPD nicht viele Unterschiede.

Antragsteller vom Balkan haben wenig Aussichten auf Asyl

In der grundlegenden Ausrichtung der Asyl- und Zuwanderungspolitik verfolgen die Koalitionäre aber verschiedene Wege. Im Mittelpunkt stehen dabei die Menschen vom Balkan, die in Deutschland Asyl beantragen. Antragsteller vor allem aus Albanien und dem Kosovo machen einen großen Teil der derzeitigen Verfahren aus. Ihre Aussichten auf Asyl sind aber äußerst gering, weil in diesen Ländern nicht von politischer Verfolgung ausgegangen wird.

Die Union setzt darauf, diese Menschen so schnell wie möglich wieder zurückzuschicken. Erreichen will sie dies, indem sie weitere Herkunftsländer als sicher erklärt, das garantiert schnellere Verfahren. Zudem setzen CDU und CSU auf Abschreckung: Sie wollen in Erstaufnahmeeinrichtungen Sachleistungen statt Bargeld ausgeben, für Menschen mit geringer Bleibeperspektive die Residenzpflicht wieder einführen und wenden sich gegen die Pläne einiger Länder, elektronische Gesundheitskarten für Asylbewerber einzuführen.

Im Beschluss der Fraktion steht zudem die Forderung nach Wiedereinreisesperren für abgelehnte Asylbewerber von mindestens drei bis fünf Jahren. Die eindeutige Haltung gegenüber den Balkan-Flüchtlingen, in denen die Union Wirtschaftsflüchtlinge sieht, formulierte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt: "Das Recht auf Asyl ist kein Recht auf Einwanderung."

Die SPD steht den Abschreckungsinstrumenten indes skeptisch gegenüber. Sie fordert beispielsweise ausdrücklich die Einführung der Gesundheitskarte. Außerdem setzt sie sich für legale Einwanderungsmöglichkeiten ein. In ihrem Maßnahmenkatalog steht die Forderung nach Arbeitsvisa, wenn die Zuwanderer einen Arbeitsvertrag nach dem sozialen Mindeststandards vorweisen können. Damit würde ein legaler Zugang nach Europa eröffnet und zugleich das Asylsystem entlastet, argumentieren die Sozialdemokraten.

Union gegen Einwanderunsgesetz

Unter dem Schlagwort "Einwanderungsgesetz" sind solche Forderungen zum Reizthema in der Koalition geworden. Die Union lehnt solch ein Gesetz ab. Noch am Donnerstag betonte Fraktionschef Volker Kauder: "In dieser Legislaturperiode sehe ich ein Einwanderungsgesetz nicht."

Das Treffen am Sonntag birgt somit Konfliktpotenzial. Konkrete Beschlüsse für Akutmaßnahmen in der Flüchtlingspolitik sind nicht zu erwarten, denn bei diesen Verhandlungen sitzen die Länder mit am Tisch. Ein weiteres Treffen ist für den 24. September geplant.