Recht sprechen über Gräueltaten in Afrika

Recht sprechen über Gräueltaten in Afrika
Internationale Strafverfolgung gewinnt auch in Deutschland an Bedeutung
Kann ein deutsches Gericht über Massaker in fernen Kontinenten urteilen? Die Verantwortung wächst, schwerste Verbrechen im globalen Kontext zu ahnden. Das macht der Bundesgerichtshof jetzt in einem Ruanda-Fall deutlich.

Karlsruhe (epd)Der Bundesgerichtshof (BGH) hat für das erste Urteil in Deutschland zum Völkermord in Ruanda Lob und Tadel ausgeteilt: Lob bekam das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt für seine Beweisaufnahme zu einem Massaker, das vor 21 Jahren und mehr als 5.000 Kilometer entfernt geschah. Die Kritik macht sich an der Bewertung der Gräueltaten fest (AZ 3 StR 575/14).

Mit seiner akribischen Recherche in der Ferne betrat das Frankfurter OLG Neuland und befragte in drei Jahren mehr als 100 Zeugen aus einem fremden Kulturkreis, manchmal nur per Videoschaltung nach Ruanda. Es wurden Historiker gehört und Landkarten oder Fotos von entsandten Ermittlern studiert.

Die Schuld wiegt schwerer

Das Ergebnis dieser Mühen, die in das Urteil vom Februar 2014 einflossen (AZ: 5-3 StE 4/10-4-3/10), fand der BGH überzeugend: Die Feststellungen zur Mitwirkung des angeklagten Ex-Bürgermeisters Onesphore Rwabukombe (58) am Massaker auf dem Kirchengelände von Kiziguro am 11. April 1994 mit mehr als 400 Toten beanstandete der 3. Strafsenat nicht.

Dennoch wurde die Verurteilung des Ruanders zu 14 Jahren gekippt und damit der Revision der Generalbundesanwaltschaft stattgegeben. Denn für den BGH wiegt die Schuld schwerer als bei der Einstufung als Beihilfe zum Völkermord: Es geht um Täterschaft. Auch wenn dem Angeklagten selbst nicht vorgeworfen wurde, jemanden mit eigener Hand getötet zu haben. Eine Verurteilung zu lebenslänglich steht nun im Raum.

Denn Rwabukombe war laut Gericht bereits am Vortag des Massakers in die Organisation des Tötens der Tutsi-Flüchtlinge eingebunden, rief als Bürgermeister seine Leute zum Gemetzel mit Hacken, Beilen, Äxten und Macheten auf, spornte sie an. Er fuhr Täter zur Kirche und überwachte das Wegschaffen der Leichen in eine Grube. Damit hatte er laut BGH eine Tatherrschaft, spielte also eine maßgebliche Rolle an dem grauenvollen Blutvergießen. Sogar Zeugen aus Täterkreisen bekundeten dies. Rwabukombe selbst bestritt in seinem letzten Wort vor Gericht alles, machte aber keine Angaben zu seinem Aufenthaltsort am Tag der Tat.

Bei Völkermord gilt Weltrechtsprinzip

Auch die Bewertung der Motive rügte der BGH: Die Vorinstanz hatte keine Völkermord-Absicht in Bezug auf die Tutsi-Minderheit beim Angeklagten erkannt. Er gehörte einer radikalen Hutu-Gruppe an, polemisierte gegen Tutsi-Rebellen, half aber auch einigen Tutsi. Doch der BGH stellte klar: Eine Völkermord-Absicht liegt bereits dann vor, wenn die Zerstörung einer Volksgruppe oder eines Teils davon als Mittel für andere Ziele eingesetzt wird. Und der Angeklagte habe seine Stellung im Staat erhalten wollen. Das Verfahren geht nun zurück an einen anderen Senat des OLG Frankfurt.

Die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts stand für BGH-Richter Jörg-Peter Becker nie infrage. Bei Völkermord gilt schon lange das Weltrechtsprinzip, wonach diese Verbrechen grundsätzlich in Deutschland geahndet werden können, auch wenn weder Tatort, Täter oder Opfer einen Bezug zur Bundesrepublik haben. Das Völkerstrafgesetzbuch, das 2002 in Kraft trat, betont dies ausdrücklich. Wegen seiner Geschichte habe sich Deutschland auch für den Internationalen Strafgerichtshof zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen starkgemacht, sagte Becker.

Mit Sorge betrachtet er allerdings die Überlastung der Justiz durch internationalen Verfahren. "Die Oberlandesgerichte werden überflutet", sagte Becker. In Stuttgart sind seit über vier Jahren zwei ruandische Milizenchefs wegen Massakern im Kongo angeklagt. Und es häufen sich Verfahren wegen Beteiligung am Syrien-Konflikt. Die Länder, aber auch der Bund müssten für größere Kapazitäten bei den Gerichten sorgen. Die internationalen Prozesse dürften wegen Überlastung nicht ein Fahrwasser geraten, das rechtsstaatlichen Prinzipien widerspreche: "Hier gibt es kein Sonderrecht", sagte Becker.