Einsatz für Menschen ohne Lobby

Das Kirchenschiff "Johann-Hinrich-Wichern" im Hafen in Mannheim.
Foto: epd-bild/Ralf Schick
Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, muss die Kirche zu den Menschen gehen. Zum Beispiel mit dem Kirchenschiff "Johann-Hinrich-Wichern" in Mannheim
Einsatz für Menschen ohne Lobby
Die Mannheimer Pfarrerin Anne Ressel wird neue Schifferseelsorgerin -
Sie will sich für Menschen einsetzen, die sonst in der Gesellschaft nicht im Blick sind: Seit vier Monaten arbeitet die Mannheimer Pfarrerin Anne Ressel (48) mit einer halben Stelle als Schifferseelsorgerin ist. Am Sonntag wird Ressel offiziell in ihr Amt eingeführt.

Frau Ressel, was hat sich an der Schifferseelsorge im Vergleich zu früher verändert?

Pfarrerin Anne Ressel

Anne Ressel: Da ich erst seit vier Monaten im Bereich der Schifferseelsorge tätig bin, bin ich noch zurückhaltend damit, mich über längerfristige Entwicklungen zu äußern. Allerdings kann man wohl immer kürzere Liegezeiten beobachten, bedingt durch einen steigenden Kostendruck im Bereich der Binnenschifffahrt. Auch geht die Anzahl der Besatzungsmitglieder auf den Schiffen zurück und es gibt gegenüber früher weniger deutsche Binnenschiffer, die als Partikulier mit dem eigenen Schiff unterwegs sind. Dadurch wird es schwerer, mit Schiffern in Kontakt zu treten, und vor allem, regelmäßige Kontakte aufzubauen und zu halten.

Wird Beratung, Seelsorge und Betreuung von Schiffern und Bootsmännern noch gebraucht und in Anspruch genommen?

Ressel: Bei Menschen auf dem Wasser ebenso wie bei Menschen an Land gibt es Bedarf an Seelsorge und Beratung. Gerade Schiffsleute sind von Kontakten in die Gesellschaft hinein relativ abgeschnitten. Meine Erfahrung ist, dass Ansprache an Bord, wo sie möglich ist, gerne angenommen wird. Immer wieder hat sich auch gezeigt, dass gerade bei krisenhaften Vorkommnissen Seelsorger, die mit der Binnenschifffahrt gut vertraut sind, wichtige und nachgefragte Ansprechpartner sind.

"Generell hat die Schifferseelsorge einen schweren Stand"

Mit welchen Problemen in der Schifffahrt werden Sie als Theologin konfrontiert?

Ressel: Wie an Land auch komme ich sowohl über Alltagsfragen ins Gespräch als auch über existenzielle Themen wie Familie, Freundschaften, Gesundheit oder auch finanziellen Sorgen. Ich bin aber auch gefordert in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Arbeitswelt der Schiffer und des Hafens - ein Feld, in das ich mich derzeit noch einarbeite. Über die Schifferseelsorge setzt Kirche sich für Menschen ein, die sonst in der Gesellschaft nicht im Blick sind und deshalb nicht die nötige Lobby haben.

Wie sieht die Zukunft der Schifferseelsorge generell und besonders in Mannheim aus?

Ressel: Generell hat die Schifferseelsorge einen schweren Stand. Schiffer sind in Synoden nicht vertreten, weil sie unterwegs sind. Sie werden von den an Land lebenden Menschen, die Kirche prägen, meist nicht wahrgenommen. Mit der in den vergangenen Jahren vollzogenen Ausdünnung der Stellen landauf und landab wird es natürlich schwieriger, die Angebote der Schifferseelsorge und ihre Bedeutung präsent zu halten. Das ist also eine Aufgabe, die von den verbleibenden erhöhten Einsatz fordert. Für Mannheim ist der Bestand der halben Stelle für die Schifferseelsorge und der Erhalt des Kirchenschiffs "Johann Hinrich Wichern" vorerst gesichert. Und ich werde meine Kraft dafür einsetzen, dass das so bleibt!