Historiker: Weizsäcker war Idealtyp des Bundespräsidenten

Richard von Weizsäcker
Foto: epd-bild/Jens Schulze
Richard von Weizsäcker 2009 in seinem Büro in Berlin.
Historiker: Weizsäcker war Idealtyp des Bundespräsidenten
Der verstorbene Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist zu seinem 95. Geburtstag als Grenzüberschreiter und Brückenbauer gewürdigt worden.

Weizsäcker sei der "Idealtyp eines Bundespräsidenten" gewesen, sagte der Berliner Historiker Paul Nolte am Freitag bei einer Tagung der Evangelischen Akademie zu Berlin. Protestanten hätten das höchste Staatsamt mit evangelischer Nüchternheit geprägt, in Arbeitsteilung mit katholischen Kanzlern wie Konrad Adenauer und Helmut Kohl mit ihrem oft pragmatischen Regierungsstil. Weizsäcker wäre am 15. April 95 Jahre alt geworden, der Altbundespräsident starb am 31. Januar in Berlin.

Der Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, Andreas Wirsching, sagte, Weizsäckers Biografie verlaufe wie eine Achse durch die Geschichte des deutschen Staates im 20. Jahrhundert. Durch seine markante Rede am 8. Mai 1985 habe der damalige Bundespräsident mit empathischer Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen den Weg zur Versöhnung geebnet. Weizsäcker hatte als erster deutscher Spitzenrepräsentant zum 40. Jahrestag das Kriegsende als Befreiung bezeichnet und den Blick damit von der Perspektive des Zusammenbruchs des Deutschen Reiches weggelenkt.

Während die umfassende Nennung der verschiedenen Opfergruppen des NS-Terrors neu für die deutsche Öffentlichkeit gewesen sei, habe Weizsäcker in seiner historischen Rede allerdings bei der Benennung der Täter nicht den weiter gehenden Stand der Geschichtsforschung eingenommen, kritisierte Wirsching. Weizsäcker habe stark auf die Schuld des Diktators Adolf Hitler abgehoben und den Versailler Friedensvertrag von 1919 als Hauptursache für den Aufstieg des Nationalsozialismus betont. Dagegen habe die Wissenschaft in den 80er Jahren bereits das Versagen der deutschen Eliten in der Weimarer Republik thematisiert.

Die Evangelische Akademie zu Berlin hatte im Vorjahr ihre Tagung "Richard von Weizsäcker - ein protestantisches Leben in Deutschland" anlässlich seines 95. Geburtstags geplant und auf eine Teilnahme des Altbundespräsidenten gehofft, der dem Beirat der Akademie angehörte. Nach dem Tod Weizsäckers habe man dennoch an der Planung festgehalten, sagte Nolte, der zugleich Präsident der Akademie ist. Die Tagung mit Beiträgen von Wissenschaftlern und Journalisten solle erste Schritte zu einer Historisierung Weizsäckers liefern.