Schreiben ohne zu diskriminieren - Tipps für Redaktionen

Schreiben ohne zu diskriminieren - Tipps für Redaktionen
Das sollten Journalisten bedenken, wenn sie vorurteilsfrei beispielsweise über Sinti und Roma berichten wollen.

Zigeuner, fahrendes Volk, Asylanten, Wirtschaftsflüchtlinge – in dem Berliner Mediensymposium des Deutschen Presserats und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma "Über Zuwanderung schreiben ohne diskriminierenden Unterton" haben Experten der Medien und der beteiligten Institutionen sich gegen die Verwendung dieser und ähnlicher Begriffe in Presseveröffentlichungen ausgesprochen. Diese Begriffe seien geeignet, negative Vorurteile über bestimmte Minderheiten in der Mehrheitsgesellschaft zu verbreiten, zu schüren und zu verfestigen. Neutrale Begriffe sind zum Beispiel Roma, Sinti oder Lovara.

Der Berliner Politologe Markus End hat in einer Studie typische Muster der Diskriminierung von Minderheiten in der Berichterstattung über Zuwanderung dargelegt. Danach kommt es in der Presse regelmäßig zur Ethnisierung von Einzelfällen und zur Zuschreibung von sozialen Merkmalen, die von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt werden, "also als abweichend oder 'deviant' angesehen werden". Ein Beispiel ist die Formulierung "Tochter seiner nach Sinti-Art angetrauten Frau" in einer in Duisburg erscheinenden Tageszeitung, gegen die Beschwerde beim Presserat eingelegt wurde. Begründung: "Dieses Detail ist irrelevant für den Inhalt des Artikels und suggeriert eine vermeintliche Andersartigkeit einer Sinti-Ehe, wodurch Vorurteile gegenüber dieser Minderheit geschürt werden."

Der Fall "Maria" 2013 in Griechenland sowie Irland gilt als exemplarisch für tief verwurzelte Vorurteile bei Polizei und Medien sowie in der Gesellschaft. Obwohl es für einen Raub des kleinen Mädchens angeblich durch Roma keine gesicherten Erkenntnisse gegeben hatte, bauschten Zeitungen und Internetforen den Vorgang zu einer scheinbaren skandalösen Bestätigung negativer Vorurteile gegenüber Roma auf. Die mediale Hysterie gipfelte laut Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, "in der Wiederbelebung des alten Stereotyps des 'kinderraubenden Zigeuners'".

Wie stark gerade Fotos Presseveröffentlichungen mit diskriminierender Tendenz erst die "richtige Schubkraft" zu geben vermögen, zeigt der Titel der Schweizer "Weltwoche" vom April 2012: "Die Roma kommen: Raubzüge in die Schweiz". Mit einer Pistole zielt ein kleiner Junge auf einer Müllhalde auf den Leser. Die offensichtliche Stimmungsmache bildet für Medienanwalt Christian Schertz den Hintergrund für die Forderung, "grundsätzlich immer Text und Bild im Kontext zu sehen". Entscheidungen über die Illustration von Textbeiträgen sollten in den Redaktionen möglichst von einer Person oder im Dialog verschiedener beteiligter Arbeitsbereiche getroffen werden.

Experten nennen eine vorurteilsfreie Recherche und die Prüfung von amtlichen Verlautbarungen als wichtige Instrumente, diskriminierungsfrei über Zuwanderung und Minderheiten zu berichten. In den Pressestellen von Behörden, sagt Christian Schertz, "gibt es nicht immer genügend Sensibilität zu Fragen wie Unschuldsvermutung, Privatsphärenschutz und vor allen Dingen Stigmatisierung". Es sei die Aufgabe von Medien, solche Informationen eingehend zu prüfen.

Als Rechercheunterstützung bei den Themen Integration, Migration, Religion und Politik kann das Online-Portal Mediendienst Integration hilfreich sein, das vom Rat für Migration initiiert worden ist und von der Bundesregierung sowie unterschiedlichen Stiftungen gefördert wird.

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