Das neue Haus gibt Sicherheit

Ein Jahr nach Taifun Haiyan
Foto: Diakonie Katastrophenhilfe/Jens Grossmann
Mehr als nur vier Wände: In den neuen sturmsicheren Häusern fühlen sich die Familien wieder sicher.
Das neue Haus gibt Sicherheit
Ein Jahr nach Taifun Haiyan auf den Philippinen
Vor einem Jahr erschütterte einer der schwersten Taifune in der Geschichte die Philippinen. Der Wirbelsturm Haiyan traf am 8. November 2013 mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Stundenkilometern auf die Inseln Samar und Leyte. Rund 6.000 Menschen verloren ihr Leben, 2.000 gelten als vermisst. Eine Million Menschen wurden obdachlos und leben teils bis heute in provisorisch reparierten Hütten, so bis vor Kurzem auch die Familie von Edita Grano Delgado.
17.11.2014
Anne Dreyer, Diakonie Katastrophenhilfe

"Wir schützten uns unter einer umgestürzten Kokospalme, als der Taifun kam. Die Kinder hatten schreckliche Angst über Stunden. Als wir aus unserem Versteck kamen, sahen wir unser Haus völlig zerstört. Es war alles weggerissen von Wind und Regen. Sogar die Geburtsurkunden unserer Kinder waren weg. Bis auf ein paar Töpfe ist uns nichts geblieben", erinnert sich Edita.

Die drahtige Frau lebt mit ihrem Mann und ihren sechs Kindern seit Anfang November in einem der neuen Häuser, die die Diakonie Katastrophenhilfe im Dorf Ugiao auf der Insel Leyte gebaut hat. In den ersten Monaten nach dem Taifun waren sie wie viele der Inselbewohner auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Notdürftig baute sich die Familie eine Unterkunft aus Plane und Holz.

Bayanihan – gemeinsam helfen

Nun steht sie stolz vor dem neuen Haus, das sturmsicher und erdbebenresistent konzipiert wurde. Mit einem Fundament und vier Pfeilern aus Beton. Das Holz für den Dachstuhl stammt aus Deutschland. Es ist weniger anfällig für Termiten und haltbarer als die lokalen Hölzer. Zudem hat der Taifun große Teile des Baumbestandes weggefegt, sodass man sich gegen eine weitere Abholzung entschied.

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Zehn Häuser sind im ersten Schritt in Ugiao entstanden. Das Land stellte die Bürgermeisterin zur Verfügung und die neuen Bewohner halfen mit beim Bau. "Bayanihan" nennt sich das philippinische Prinzip der Nachbarschaftshilfe. "Es ist eine alte Tradition und heißt wörtlich übersetzt dem Nachbarn zu helfen, von einem Teil des Ortes in den anderen umzuziehen, ohne für die Hilfe eine Gegenleistung zu erwarten", erklärt Markus Koth, Landeskoordinator der Diakonie Katastrophenhilfe auf den Philippinen. "Gleichzeitig lernen die Menschen, wie Häuser künftigen Stürmen besser standhalten." Das ist wichtig, denn etwa 20 starke Stürme treffen die Philippinen pro Jahr. Zudem nehmen die Familien ihr Schicksal wieder selbst in die Hand und durchbrechen damit Ohnmacht und Trauma, in die sie die Zerstörung nach dem Taifun Hayan versetzt hat.

Der Sturm hat die Armen noch ärmer gemacht

Edita arbeitet mittlerweile wieder als Hausmädchen in der nahgelegenen Kleinstadt Jaro. Ihr Mann hat wie viele in der Region seine Arbeit als Kokosnuss-Pflücker verloren, da ein großer Teil der Palmen durch den Taifun zerstört wurde. Jetzt arbeitet er als Tagelöhner und hat drei Tage pro Woche ehrenamtlich beim Bau des neuen Hauses geholfen.

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Jeden Tag läuft Edita zwei Stunden zu Fuß zu ihrer Arbeit, denn von ihrem geringen Verdienst von umgerechnet zwei Euro am Tag muss ihre Familie leben. Edita wird ernst: "Wir können nichts zurücklegen. Was ist, wenn ich krank werde?" Das größte Problem ein Jahr nach Taifun Haiyan ist, dass der Wirbelsturm die armen Familien noch ärmer gemacht hat. Sie haben keinerlei Sicherheiten. Im nächsten Schritt wird die Diakonie Katastrophenhilfe in Ugiao deshalb ein Programm beginnen, um für die Familien weitere Einkommensquellen zu schaffen.

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Gegen Mittag kommen die Töchter Shielami und Julie An von der Schule. Sie essen Reis und Trockenfisch zu Mittag. Da noch keine Einrichtung vorhanden ist, sitzen sie am Boden. In den nächsten Wochen wird Editas Mann mit den Nachbarn aus Kokosholz einfache Bänke, Tisch und Bettrahmen bauen. "Das neue Haus ist eine große Chance für meine Familie", sagt Edita. Die Kinder können sich hier wieder sicher fühlen. Nach Haiyan hatten sie jedes Mal große Angst, wenn es stürmte.

Gute Ernte schenkt Hoffnung

Auch im Dorf San Isidro werden neue Häuser entstehen. Vor allem die Familien, die allein vom Fischen oder dem Reisanbau leben, waren verzweifelt. Der Sturm zerstörte ihre Häuser, ihre Boote, die Felder und die gerade eingefahrene Ernte. In den ersten Monaten waren sie angewiesen auf Nahrungsmittelhilfe. "Ich habe für meine Familie Reissuppe gekocht", sagt Bauer Manuel Arisgado genannt Boy. "Dann waren die Portionen für jeden größer."

Die Ernte ist gut.

Heute blickt er stolz auf 60 Säcke Reis. Er spricht gutes Englisch, weil er zur See gefahren ist. Im März hat er das Saatgut von der Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe bekommen und gerade die erste Ernte eingefahren. Seine Frau Emilda genannt Milly und er sind seit 36 Jahren ein Paar und wirken verliebt wie am ersten Tag. Milly strahlt: "Wir sind glücklich."

Boy und Milly berichten von ihren Wünschen. Sie träumen von einem Bewässerungssystem, damit sie mehr als zwei Mal im Jahr ernten können. Ihre Augen lachen, obwohl ihr Leben entbehrungsreich ist. 30 Säcke der Ernte wird Boy an seinen Bruder abgeben müssen, der ihm einen Kredit für den Dreiviertel Hektar Land gegeben hat. Rücklagen gab es nie. Der Taifun hat die Menschen hier auch deshalb so hart getroffen, weil er ihnen oft Haus und Einnahmequelle gleichzeitig genommen hat.

Auf den Feldern stehen Bauern, die gerade ihre frische Reisernte dreschen. Die Arbeiter, die die schwere Maschine von Feld zu Feld wuchten, bekommen einen kleinen Anteil als Lohn. Die großen Ballen mit Reispflanzen geben Hoffnung, dass für die Bewohner von San Isidro ein Jahr nach Haiyan eine gewisse Normalität eingekehrt ist.