Drohnen machen die Gewalt im Krieg nicht sauberer

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Drohnen machen die Gewalt im Krieg nicht sauberer
Sollte die Bundeswehr bewaffnete Drohnen anschaffen? Bei einer Diskussion in Berlin tauschten Soldaten und Kirchenvertreter Argumente aus - mit ungewissem Ergebnis. Einig waren sie sich nur, dass autonome, selbststeuernde Drohnen nicht auf dem Plan stehen sollten.

Es sollte ein politischer Schlagabtausch werden, unter anderen auf Einladung der Evangelischen Akademien von Loccum und Berlin. Doch die geladene Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen befand sich auf dem Weg in den Irak. Und leider sandte sie auch keinen ihrer Staatssekretäre zur Diskussion ins Berliner Magnus-Haus, das übrigens in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnsitz der Bundeskanzlerin liegt. Schade, denn immerhin ging es um die seit Monaten heiß diskutierte Frage, ob, wann und wie die Bundeswehr bewaffnete Drohnen anschaffen sollte. Aber zwischen den Kirchenvertretern und den Militärs ging es argumentativ zur Sache.

"Drohnen haben große Vorteile. Sie haben im Gegensatz zu Flugzeugen wesentlich höhere Stehzeiten von bis zu 40 Stunden in der Luft", schwärmte Brigadegeneral Jörg Lebert. Selbst die UN setze heute Drohnen ein, um so genannte "überdehnte Räume" überwachen zu können, also große Flächen mit wenig Personal wie etwa in Mali. Auch Rainer Glatz, ehemaliger Generalleutnant der Bundeswehr mit jahrelanger Afghanistan-Erfahrung, plädierte für den Einsatz von Drohnen. Und diese sollten endlich auch bewaffnet sein, damit deutsche Soldaten optimal geschützt werden können.

Risiken und Nebenwirkungen nach wie vor unklar

Zwar hat die deutsche Truppe in Afghanistan seit 2010 unbemannte Flugkörper im Einsatz. Es sollen schon über 10.000 Stunden Erfahrung in der Drohnenbegleitung von Bodentruppen gesammelt worden sein. Aber es handelt sich bisher ausnahmslos um von Israel geleaste Exemplare vom Typ Heron, die unbewaffnet allein der reinen Aufklärung aus der Luft dienen.

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"Nach der europäischen  Menschenrechts-Konvention gibt es ein Recht auf Schutz des Lebens, und das gilt auch für Soldaten. Eltern eines gefallenen britischen Soldaten bekamen mit ihrer Klage Recht, weil ihr Sohn nicht genügend Schutz durch Panzerung im Kampf erhielt. Also hat auch die Bundesrepublik die Pflicht, ihren Soldaten optimalen Schutz zu gewährleisten", argumentierte der pensionierte Militär: "Drohnen sind viel präziser einzusetzen. Es gibt also eine moralische Verpflichtung zur Anschaffung von bewaffneten Drohnen."

Doch das widerspreche dem evangelischen Leitbild des gerechten Friedens. Wo bleibt gerade bei Drohnen, die in Zukunft vielleicht völlig autonom agieren werden, noch der Mensch, der entscheidet? Die Frage kam von Pastor Renke Brahms, Friedensbeauftragter der EKD. "Was sind die Risiken und Nebenwirkungen eines Drohnen-Krieges? Was sind die Kosten, die dann für die zivile Konfliktprävention fehlen? Ich würde es der Bundeswehr nicht empfehlen, bewaffnete Drohnen anzuschaffen", sagte der Theologe.

Doch die ranghohen Soldaten auf dem Podium beschwichtigten: Auch bei der Bundeswehr wolle keiner autonome Kampfroboter oder Drohnen anschaffen. Die Befehls- und Entscheidungskette müsse jeweils gewahrt bleiben.

Eine "ausgemachte Sache" für das Militär?

Experten halten aber dagegen, dass die rasante Technikentwicklung schon längst nicht mehr der Struktur klassischer Militärhierarchien folgt. Die US-amerikanische Reaper-Drohne etwa fliegt heute schon automatisch weiter, wenn in engen Tälern der Kontakt zur tausende Meilen entfernten Basis abreißt. Israelische Drohnen kreisen über dem Einsatzgebiet und greifen automatisch gegnerische Radarstellungen an, ohne dafür von einem Menschen erst einen Befehl erhalten zu müssen. Die Gefahr der Nichtmehrkontrollierbarkeit autonomer Waffensysteme steigt damit rasant.

Doch die Generäle Lebert und Glatz wehren solche Argumente ab. Die Bedienung solcher Waffensysteme dürfe nur durch hochqualifizierte Offiziere geschehen, jegliche joy-Stick- und Baller-Mentalität habe in der demokratisch verfassten und kontrollierten Parlamentsarmee Bundeswehr keinen Platz, argumentierten sie in Berlin. Genau so wenig sei es denkbar, dass autonome Robotsysteme, egal ob am Boden, zu Wasser oder in der Luft, über das hohe Gut des menschlichen Lebens zu entscheiden hätten.

Allerdings scheint es bei aller Diskussion in der Öffentlichkeit für die Militärs bereits eine ausgemachte Sache zu sein, dass die Bundeswehr langfristig eigene Kampfdrohnen entwickeln und anschaffen will. "Es wird ja nicht hunderte neue Drohnen geben. Wir rechnen in Zukunft, also für das Jahr 2025, mit sechs Drohnen im Einsatz plus zehn für den Rückhalt und die Ausbildung, also insgesamt 16! Und die können dann verschiedene Nutzlasten tragen, Sensoren oder Bomben", erläuterte Brigadegeneral Lebert.

Drohnen machen die Gewalt nicht weniger schlimm

Nur dabei werde es nicht bleiben, prophezeit der Physiker Jürgen Altmann von der TU Dortmund, der zusammen mit Rüstungsexperten 2009 das "international committee for robot arms control" gegründet hat. "Die Rüstungsindustrie steht schon in den Startlöchern. Pilotenfreie Kampfbomber und Drohnen sind eine militärtechnische Umwälzung, ein völlig neuer Trend. Das wird zur Destabilisierung und Wettrüsten führen. Die technische Versuchung dafür ist groß", warnte der Waffenexperte.

Auch wenn die Video-Bilder lasergestützter Präzisions-Bomben seit dem ersten Irakkrieg anderes suggerieren, geht es doch bei allen technischen Neuerungen in letzter Konsequenz weiterhin um tote Soldaten und vor allem Zivilisten, so genannte Kollateralschäden, wie es im Militärdeutsch heißt. Man solle sich daher bei allem Für und Wider eines Einsatzes nichts vormachen, mahnt der neue evangelische Militärbischof Sigurd Rink: Drohnen werden die Gewalt auch in Zukunft nicht sauberer oder unblutiger machen.