IW-Studie: Großstadt-Bevölkerung besonders von Armut bedroht

IW-Studie: Großstadt-Bevölkerung besonders von Armut bedroht
Was sich die Menschen in Deutschland von ihrem Einkommen leisten können, fällt im bundesweiten Vergleich ganz unterschiedlich aus. Das geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln hervor, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Während die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland geringer werden, verschärft sich das Gefälle zwischen Stadt und Land zunehmend.

Demnach sind die Einkommen in Ostdeutschland zwar niedriger, aber die Bevölkerung kann sich für ihr Geld mehr leisten als im Westen. Werden die unterschiedlichen Preise in den Regionen berücksichtigt, verringert sich damit die Lücke bei der Einkommensarmut zwischen Ost und West.

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Nach Angaben der Experten wurden erstmals regionale Preisinformationen herangezogen, um die Einkommensarmut zu analysieren. Durch diese Methode rücken etwa Thüringen oder Brandenburg auf ein ähnlich hohes Niveau bei der Kaufkraft wie Bayern, Baden-Württemberg oder Hamburg. Auf den letzten Plätzen sind Mecklenburg-Vorpommern, Berlin oder Bremen.

Deutlich stärker fällt durch diese Berechnung das Stadt-Land-Gefälle aus. "Die Kaufkraft in den Städten ist deutlich niedriger als auf dem Land", betonte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther. Aufgrund hoher Mieten und anderer steigender Lebenshaltungskosten werde sich daran auch in naher Zukunft nichts ändern. In ländlichen Regionen haben durchschnittlich nur knapp 14 Prozent der Bevölkerung eine geringe Kaufkraft, in den Städten liegt die Quote bei 22 Prozent.

Scharfe Kritik am Betreuungsgeld

Als einkommensarm gelten Personen oder Haushalte, wenn ihr Einkommen maximal 60 Prozent des mittleren Einkommens, also rund 870 Euro, erreicht. Das unterschiedliche Preisniveau in den Bundesländern wird dabei nicht in die Berechnung dieser Grenze mit einbezogen. Als besonders von Armut gefährdet gelten bundesweit Haushalte, in denen mindestens ein Arbeitsloser lebt, sowie Alleinerziehende oder Menschen mit Migrationshintergrund.

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Hüther appellierte an die Politik diese Risikogruppen stärker in den Blick zu nehmen, um die Armutsgefährdung zu verringern. Dazu gehörten sowohl die schnelle Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Sprachförderung aber auch ein umfassendes Angebot zur Kinderbetreuung. In diesem Zusammenhang übte Hüther erneut scharfe Kritik am Betreuungsgeld. Dieses führt dem Wissenschaftler zufolge zu Fehlanreizen. "Es mindert die Bereitschaft bildungsferner Schichten mit erhöhtem Armutsrisiko, ihr Kind in eine qualifizierte Betreuung zu geben", sagte Hüther. Dies reduziere die Chancen, dass die Mütter frühzeitig eine Arbeit aufnehmen.

Auch die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde ab 2015 stößt bei Hüther auf Kritik. Die Lohnuntergrenze starte auf hohem Niveau und berücksichtige nicht regionale Unterschiede. Langfristig könne dieses Instrument sogar die Spaltung zwischen Ost und West verschärfen, da der hohe Mindestlohn zu einer höheren Arbeitslosigkeit in den Ost-Ländern führen könnte.