Syrische Flüchtlinge: "Wir waren wie Sklaven von Assad"

Syrische Flüchtlinge: "Wir waren wie Sklaven von Assad"
Mit Schrecken beobachten syrische Flüchtlinge in Deutschland die eskalierende Lage in ihrem Heimatland. Die Angst um ihr Leben und um ihre Familien lässt sie nicht los. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Flüchtlinge stark gestiegen.
21.03.2012
Von Charlotte Morgenthal

Eine Kette seiner Mutter ist das einzige, was Farid bei seiner Flucht aus Syrien mitgenommen hat. "Am Anfang wollten wir nur die Freiheit", sagt der 30-Jährige und erzählt von den friedlichen Demonstrationen gegen Präsident Assad, die er selbst mitorganisierte. Doch seit einem Jahr verschärft sich die Lage. Die Armee schießt auf Demonstranten, Regime-Gegner verschwinden. Im Dezember floh Farid mit seiner Schwester und ihrer kleinen Tochter aus seiner Stadt im Nordosten des Landes. Heute lebt er mit 33 anderen Syrern im Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen. "Es ist wie ein Traum, hier zu sein."

In einem schlichten Gemeinschaftsraum sitzen sie an einem Tisch und sprechen von ihrer Heimat. Die Straßen ihrer Stadt waren abends wie leer gefegt, erzählt Farid. "Wenn einer das Haus verlassen hat, wussten wir nicht, ob er wiederkommt." Die Menschen lebten unter einer ständig wachsenden Bedrohung durch das Assad-Regime und den Geheimdienst. Um sein Modegeschäft zu betreiben, mussten er und seine Kollegen Schmiergeld zahlen: "Wir waren nur noch wie Sklaven der Familie Assad."

Ständige Angst um das Leben - auch in Deutschland

Dem Bundesamt für Migration und Flüchtling zufolge stellten mehr als 2.600 Syrer im vergangenen Jahr in Deutschland einen Asylantrag. Ein Anstieg von mehr als 1.000 Flüchtlingen im Vergleich zum Vorjahr. Davon wurden rund 500 in den niedersächsischen Aufnahmestellen in Braunschweig und Friedland aufgenommen.

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Die 37-jährige Sirah kam vor zwei Wochen mit ihrer zwölfjährigen Tochter in das Aufnahmelager. Ihre Tochter überlebte nur knapp einen Bombenangriff nahe ihrer Schule. Sirahs Mann wurde im Herbst verhaftet, seitdem hat sie ihn nie wieder gesehen. "Später hieß es, er sei an einem Schlaganfall gestorben", erzählt sie mit zittriger Stimme.

Die ständige Angst um das eigene Leben und das der Tochter lässt Sirah auch in Deutschland nicht los. Sie berichtet, dass sich Agenten des Geheimdienstes in Syrien mittlerweile als Regimegegner ausgeben. Viele Menschen verschwinden einfach, Kinder werden entführt. "Wir haben alles gesehen: Tötungen, Bombenangriffe, Vergewaltigungen."

"Es gab für uns keine Zukunft"

Dass die westlichen Länder den andauernden blutigen Auseinandersetzungen nur zuschauen, kann Farid nicht verstehen. "Sie machen sich damit zum Mittäter Assads." Mit ihren Familienmitgliedern, die in Syrien geblieben sind, telefonieren alle nur selten und kurz. Nur eine Frage, wie es geht, und dabei bloß nicht über die Politik reden, erzählt Farid: "Die Wände haben Ohren." Der Geheimdienst ist überall.

Jeden Tag bangen er und seine Schwester um das Leben seiner Mutter und seiner Familie in Syrien, sagt Farid und lässt dabei die schwarze Perlenkette von seiner Hand baumeln. "Es gab für uns keine Zukunft, sonst hätten wir das Land nicht verlassen."

epd