Fluglärm stört das Gebet – Kirchengemeinden klagen

Fluglärm stört das Gebet – Kirchengemeinden klagen
Seit der Eröffnung der neuen Landebahn des Frankfurter Flughafens stöhnt die Region unter wachsendem Fluglärm. Jetzt wollen zwei evangelische Gemeinden dagegen vor Gericht ziehen, weil sie sich in ihrer Religionsausübung beeinträchtigt sehen.
17.03.2012
Von Renate Haller und Dieter Schneberger

Eigentlich könnten sich die lärmgeplagten Protestanten aus Flörsheim und Mainz-Marienborn zurücklehnen und das für den 4. April angekündigte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausbau des Frankfurter Flughafens gelassen abwarten. Hatten die Leipziger Richter doch bei der mündlichen Verhandlung angedeutet, dass sie ein absolutes Nachtflugverbot befürworten. Die Nachtruhe reicht den Flörsheimer und Marienborner Christen allerdings nicht. Sie wollen vor Gericht ziehen, weil sie sich von dem ständigen Krach in ihrer Glaubenspraxis gestört fühlen.

Entsprechend wandten sich die Kirchenvorstände mit der Bitte an die Leitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Voraussetzungen für eine Klage zu schaffen, um das im Grundgesetz in Artikel 4, Absatz 2 verankerte Recht auf freie Religionsausübung durchzusetzen.

Für ein Recht auf innere Einkehr

Dieses Grundrecht ist nach Überzeugung des Flörsheimer Pfarrers Martin Hanauer nicht gewährleistet. Bei Ost-Wetter-Lage sei beispielsweise eine menschenwürdige Bestattung auf dem Friedhof nicht möglich, weil Worte nicht mehr zu verstehen seien, argumentiert er. Der dröhnende Lärm landender Flugzeuge, die in geringer Höhe den Friedhof überfliegen, störe die Besinnung auf die tröstende Botschaft der Bibel, störe Gebete und Aussegnung als wesentliche Bestandteile religiöser Bewältigung von Trauer und Abschied

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Die Worte des Grundgesetztextes lassen Raum zur Interpretation. Es müsse genau begründet werden, wann und wie die Religionsausübung gestört sei, sagt Hanauer. Er nennt ein Beispiel: "Sind die Segensworte ungültig, wenn sie vor lauter Lärm nicht gehört werden?"

Solche theologischen Fragen müssten von Experten geklärt werden. "Wir können die Fakten vor Ort beschreiben, aber wir brauchen auch fundierte theologische Argumente."

"Wir streiten für das Recht auf innere Einkehr, um die Wiedergewinnung von Räumen der Stille", heißt es im Beschluss des Kirchenvorstands Marienborn, der ebenfalls das Recht auf ungestörte Religionsausübung bewahren will. Der rechtliche Kern kirchlicher Gemeindearbeit müsse verteidigt werden, fordern die Kirchenvorstandsvorsitzenden Berit Sommerfeld und Pfarrer Harald Jaensch. Die das Gemeindeleben schädigende Dauerbelästigung müsse rückgängig gemacht werden.

Wie groß sind die Chancen für eine Klage?

Der Pressesprecher der hessen-nassauischen Kirche, Stephan Krebs, verweist darauf, dass sich ein Jurist der Kirchenverwaltung bereits vor einem Jahr mit der Thematik beschäftigt habe. Die Chancen einer Klage zur Durchsetzung des durch Fluglärm gestörten Rechts auf ungestörte Religionsausübung, habe dieser als "eher gering" eingeschätzt. Aber möglicherweise gebe es neue Aspekte. Deshalb werde die Kirchenleitung das Anliegen der Gemeinden prüfen, kündigt Krebs an.

Die hessen-nassauische Kirche setzt sich bereits seit Jahren für ein Nachtflugverbot und effektive Lärmschutzmaßnahmen ein. "Die Belastbarkeit von Mensch und Natur im Ballungsraum Rhein-Main auch durch das stete Wachsen des Flughafens ist erschöpft. Eine weitere Zunahme der ökologischen und insbesondere der gesundheitlichen Auswirkungen ist nicht mehr hinnehmbar", erklärte Kirchenpräsident Volker Jung.

Die Kirchensynode hatte sich 2008 und 2011 gegen die Erweiterung des Frankfurter Flughafens ausgesprochen, weil das im Mediationspaket aus dem Jahr 2000 vorgesehene Verbot nächtlicher Starts und Landungen von der Landesregierung zurückgenommen worden war. Unterdessen gehen die Proteste gegen den Fluglärm weiter. Neben den sogenannten Montagsdemonstrationen ist für Samstag, 24. März, am 14 Uhr im Terminal 1 des Flughafens eine Großdemonstration geplant.

epd