Von Merkel enttäuscht: Rechte in der CDU formieren sich

Von Merkel enttäuscht: Rechte in der CDU formieren sich
Seit zwölf Jahren ist Angela Merkel CDU-Vorsitzende, seit gut sechs Jahren sitzt sie im Kanzleramt. Die CDU ist in dieser Zeit nach links gerückt, so die verbreitete Einschätzung. Merkel hat kantige Konservative wie Friedrich Merz oder Roland Koch vergrault. Mit den Bundespräsidenten ihrer Wahl hatte sie zwei Mal Pech, nun muss sie auch noch den einstigen rot-grünen Kandidaten für das Amt, Joachim Gauck, akzeptieren. Nicht allen Mitgliedern gefällt der Kurs der Kanzlerin. Am rechten Rand macht sich die Enttäuschung Luft: Eine Basisbewegung will den "Linkstrend stoppen".
17.02.2012
Von Philipp Alvares de Souza Soares

Die Sache mit den Internet-Links ist Thomas Schneider schon etwas unangenehm. "Junge Freiheit", "Politically Incorrect" (PI) – Fans solcher Seiten gelten als rechtsextrem, und eine solche Einordnung weist er weit von sich. Schneider, Initiator der CDU-Basisbewegung "Aktion Linkstrend stoppen" in Sachsen, hatte über die Website der Initiative auf die rechte Wochenzeitung und den noch rechteren Blog verwiesen, der wegen seiner fremdenfeindlichen Inhalte unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Inzwischen hat er direkte die Klickmöglichkeit zu PI entfernt, da ihm bei den gewaltverherrlichenden Gästebucheinträgen "die Nackenhaare zu Berge" standen, wie er sagt. Manche Beiträge findet Schneider aber dennoch "ganz gut".

Die Links brachten der Initiative ziemlich viel Aufmerksamkeit ein, man könnte die Verweise auch als gelungene PR-Aktion bezeichnen. Diese sorgte vor allem bei der sächsischen SPD für Aufregung. Ihr Fraktionsvorsitzender Martin Dulig verurteilte die Initiative: Ihm sei "Angst und Bange" bei so viel Nähe zu rechtsextremistischen Medien.

Die Jusos forderten eine deutliche Abgrenzung durch die CDU-Parteiführung. Deren Generalsekretär Michael Kretschmer übte sich daraufhin in Schadensbegrenzung: "Linkstrend stoppen" sei keine Parteiorganisation, sondern "eine Initiative von Bürgern, die auch der CDU angehören". "Außerdem finde ich nicht, dass die CDU nach links gerückt ist", ergänzt er.

Wo bleibt der "Markenkern"?

Das sehen andere nicht so. "Linkstrend stoppen" entstand als Replik auf die "Berliner Erklärung", mit der sich die CDU vor zwei Jahren fortschrittlicheren Strömungen öffnete. Damals setzte der ehemalige CDU-Parteirichter Friedrich-Wilhelm Siebeke ein "Manifest gegen den Linkstrend" auf, und Anzeigen in der FAZ wurden geschaltet. Bismarck-Urenkel Ferdinand oder Werner Münch, ehemals Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, gehörten zu den Unterstützern der ersten Stunde.

Mehr als 7500 Menschen haben Siebekes Manifest seitdem unterzeichnet, und die Unterstützung wächst. Außer in Sachsen gibt es Regionalgruppen etwa in Rheinland-Pfalz und Baden Württemberg. In diesem Jahr sollen weitere folgen. Die Aktion lebt von der Unzufriedenheit mit der Merkel-CDU und wie sie mit den Themen Elterngeld, Wehrpflicht, Mindestlohn und Atomkraft umgeht – nach und nach bricht immer mehr von dem weg, was für viele Konservative der "Markenkern" ihrer Partei war.

Die Initiative ist vor allem eines: dagegen

Thomas Schneider sitzt am Kaffeetisch eines Bekannten im Erzgebirge und klagt das Leid eines enttäuschten Parteimitglieds. Nicht laut und polternd, sondern überlegt und leise. Kernige Parolen sind nicht sein Sache. Schneider fühlt sich nicht mehr wohl in seiner politischen Heimat, der CDU. Er ist Kreisrat im Erzgebirge und bekennender Christ. Und deswegen auch in der Union, wegen des C.

Doch das C kann er in seiner Partei oft nicht mehr erkennen, sagt er. Die Heimat fühlt sich nicht mehr wie ein Zuhause an. Das war früher anders, meint Schneider. Nach der Wende war die CDU genau die Partei, die ihm zu ihm passte: Christlich und konservativ. Damals fühlte er sich respektiert, konnte offen sagen, dass Abtreibung "straffreie Kindstötung" sei. Jetzt werde er dafür schräg angesehen.

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Seine Frustration wollte Schneider nicht für sich behalten. Die CDU soll wieder so heimelig werden, wie sie es einmal war. Also gründete er zusammen mit seinem Sohn die sächsische Filiale von "Linkstrend stoppen". Die Initiative lebt vor allem vom Dagegen: Sie stellt sich gegen Homo-Ehe, "Multi-Kulti", die Euro-Rettung und die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Konstruktive Vorschläge finden sich dagegen kaum.

"Wir fühlen uns wie die Schmuddelkinder", klagt Michael Nickel, der Bundessprecher der Initiative. Nickel ist ein großer, bulliger Typ mit kurzem Haar. Er hat bei der Bundeswehr gedient, ist Mitglied einer Burschenschaft und trinkt seinen Kaffee gern "schwarz wie mein Parteibuch". Auch Nickel fühlt sich nicht mehr wohl. Konservative Grundpositionen der Partei würden immer weiter "geschliffen", bis es nur noch einen schwarz-rot-grünen Einheitsbrei gebe. "Ich vermisse die klare Abgrenzung gegenüber der SPD."

Nichts gegen Populismus

Den Aktivisten geht es um Toleranz, wie sie beteuern: Sie werben dafür, dass Positionen rechts vom Mainstream in der Partei wieder akzeptiert und diskutiert werden. Von "Leitkultur" etwa könne man nicht mehr sprechen, ohne gleich in die rechte Ecke gestellt zu werden. Die Anhänger von "Linkstrend stoppen" wollen als Teil der CDU respektiert werden, etwa so wie der "Seeheimer Kreis" in der SPD.

Mit dem Vorwurf des Populismus können sie gut leben: "Wenn das heißt, dass man dem Volk aufs Maul schaut, dann habe ich damit kein Problem", sagt Schneider. Er glaubt, dass viele Unionsanhänger mit dem Kurs der Partei nicht einverstanden sind und sich schweigend abwenden. Das koste der CDU nicht bloß Stimmen, sondern könnte die Enttäuschten auch in die Arme von Demagogen treiben.

Manchen Umfragen stellen einer Partei rechts von der CDU zweistellige Ergebnisse in Aussicht – doch trotz all ihrer Enttäuschung wollen die Aktivisten von "Linkstrend stoppen" genau das verhindern. "Wir wollen keine neue Partei", sagt Schneider. Er berichtet stolz von Anrufen und E-Mails, in denen ehemalige Unionswähler ihm mitteilten, wegen ihm ihr Kreuz doch weiter bei der CDU machen zu wollen. Seine Partei soll wieder eine Heimat werden, für all diejenigen, die rechts stehen, aber nicht rechtsextrem sind.

Erika Steinbach freut sich

Die Unzufriedenheit in der Union ist nicht bloß ein Provinzphänomen. Auch weiter oben grummelt es. Als Steffen Flath, CDU-Fraktionsvorsitzender im sächsischen Landtag im vergangenen Oktober einen von Schneider organisierten Stammtisch besuchte, konnte er den Frust der Anwesenden gut nachvollziehen: Ab und an verzweifle auch er an der CDU, "da gewinnt man bei solchen Runden wie hier Kraft." Und: "Wenn man es nur durchhält, lassen sich schon Mehrheiten gewinnen.”

Flath ist auch Mitglied des "Berliner Kreises", in dem etwa Erika Steinbach oder Wolfgang Bosbach in eine ähnliche Kerbe schlagen wie "Linkstrend stoppen". Nur eben von oben. In diesem Jahr soll der Kreis "festere Konturen" bekommen, sagt Flath. Für CDU-Granden wie Schäuble und Kauder, ist zu lesen, sei dann "die rote Linie" überschritten. Hermann Gröhe, Generalsekretär der Bundes-CDU, traf sich am vergangenen Dienstagabend mit den Mitgliedern des Kreises, um zu vermitteln. Die Parteiführung scheint sich zumindest Sorgen zu machen.

Pressesprecher Nickel hat dem "Berliner Kreis" bislang vergeblich die Unterstützung von "Linkstrend stoppen" angeboten. Für ihn wäre die Initiative der ideale Resonanzboden für die Töne, die Steinbachs Kreis weiter oben anstimmt. Erika Steinbach immerhin kann sich für sein Engagement sehr wohl begeistern. Linkstrends zu stoppen, das könne ja nur gut sein, findet sie: "Wir sollten alles tun, um wieder unsere Klientel zu erreichen."


Philipp Alvares de Souza Soares ist freier Journalist in Hamburg.