Buschfieber: Das Phänomen "Dschungelcamp"

Buschfieber: Das Phänomen "Dschungelcamp"
Ist es zum Fremdschämen oder ein amüsantes Spektakel? Am RTL-"Dschungelcamp" scheiden sich die Geister. Die Sendung ist ein Phänomen - und wird mittlerweile auch in Kneipen geguckt.
16.01.2012
Von Caroline Bock

Bei der Frage "Guckst du auch Dschungel?" wissen Millionen Deutsche, was gemeint ist: der RTL-Promi-Wettkampf "Ich bin ein Star - holt mich hier raus!". Früher sorgten Serien wie "Dallas" und "Denver-Clan" für leicht verschämt konsumierte, kollektive Fernseherlebnisse. Heute sind es Ekelprüfungen und gruppendynamische Verwerfungen im australischen Busch, die in ihren sechs Staffeln so populär geworden sind, dass auch das Feuilleton nicht mehr vorbeischauen kann. Die teilnehmenden "B-Promis" sind für den "Spiegel" die "Mistkäfer der Mediengesellschaft": Keiner mag sie, obwohl sie nützlich sind.

Unterschichtenfernsehen mit Meta-Ebene

Das Internet quillt über vor Klatsch & Tratsch aus dem Camp, wenn Erotik-Model Micaela Schäfer Ex-Fußballstar Ailton auf die Matratze lockt oder Rocco Stark über seinen Vater Uwe Ochsenknecht "auspackt". Fehlt eigentlich nur noch, dass sich im Netz eine Gruppe bildet, die die schwer verständlichen Lagerfeuer-Dialoge zwischen Brigitte Nielsen und Ramona Leiß transkribiert: "MadenWiki" oder "Dschungel-Leaks" könnte sie heißen.

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Bei der RTL-Show schauen auch manche Leute zu, die sich sonst zum Arte-Publikum zählen. Dank der ausgefeilten und auch selbstironischen Moderationstexte von Dirk Bach und Sonja Zietlow bekommt das vermeintliche Unterschichtenfernsehen eine Meta-Ebene, die noch einige akademische Abhandlungen nach sich ziehen dürfte. Deutschland im Jahr 2012: Das ist auch der Blick ins Dschungelcamp.

Beobachten lässt sich das zum Beispiel in der Berliner Szenebar "Zum schmutzigen Hobby", wo es ein tägliches Public Viewing gibt. Die Zuschauer sitzen bei Flaschenbier auf alten Sofas, von der Decke baumeln Papp-Palmen. "Ich liebe diese Sendung", erklärt Barchefin und Drag-Queen Nina Queer vor der Premiere. Ihre Kollegin Brigitte hat einen Favoriten: Ramona Leiß. "Warum nicht mal eine Lesbe?" Später sagt die Drag-Queen etwas ernster, sie finde es toll, dass sich die Ex-"Fernsehgarten"-Moderatorin geoutet habe.

"Wie arm musst du sein, dass du das mitmachst?"

Während der Sendung herrscht ein bisschen Stimmung wie bei einer Fußballübertragung. "Oh, oh, oh! Ungeschminkt!", entfährt es einem Zuschauer beim Anblick von Sylvester Stallones Ex-Frau Brigitte Nielsen. Dann entwickelt sich in einer Männergruppe eine Diskussion, wo kann man sich billig liften lassen. "In Polen", meint einer.

Nebenan sitzt Casting-Starlet Annemarie Eilfeld, die für ihren Kollegen Martin Kesici im Camp mitfiebert. "Ich wünsche ihm einfach keinen Stress", sagt sie. Die 21-Jährige ist demnach heilfroh, dass sie bei dem RTL-Spektakel nicht dabei ist. "Ich mach' drei Kreuze." Sie findet: "Es bringt dir einfach als Musiker nichts."

Später ist im Publikum ein kollektives Aufjaulen zu hören, als Erotik-Model Micaela einem Käfer den Kopf abbeißt. "Wie arm musst du sein, dass du das mitmachst?", ruft ein Zuschauer. Doch Fremdschämen hin oder her: Das Buschfieber geht weiter. Am Mittwoch will Nina Queer das Dschungelcamp in ihr Kneipenquiz einbauen. Und mit den Quoten dürfte RTL weiter zufrieden sein.

dpa