Buß- und Bettag: Sich neu auf Gott ausrichten

Buß- und Bettag: Sich neu auf Gott ausrichten
Buße, das ist doch von gestern: Wer büßt denn heute noch, um Vergebung für seine Sünden zu erlangen? Nein, meinte schon Martin Luther, mit Sühne und Vergebung hat die christliche Buße nichts zu tun. Dafür mit innerer Umkehr und Neuausrichtung. Gedanken zum heutigen Buß- und Bettag.
15.11.2011
Von Lothar Simmank

Noch heute erkennt man Büßer manchmal an den Blutspuren: Wenn die Pilger im portugiesischen Wallfahrtsort Fátima auf dem Büßerpfad der Erscheinungskapelle entgegenrutschen, bluten die Knie. Wenn mexikanische Dornenkronen-Träger ein Kreuz durch die Via Crucis in Iztapalapa schleifen, will das Publikum Blut sehen. Prozessionen wie diese erinnern an mittelalterliche Bräuche. Dass Buße nicht im Sinne von "Strafe" zu verstehen ist, die mit Gewalt einhergeht, ist eine Erkenntnis, die sich erst im Laufe der Kirchengeschichte eingestellt hat.

In der alten Kirche noch sollten - häufig selbstauferlegte - Strafen zur Wiedergutmachung und zur Umkehr vom Sündenweg führen. Dazu gehörten spektakuläre Bußaktionen, bei denen sich Menschen aus religiösen Gründen selbst Schmerzen zufügen. Im 13. Jahrhundert geißelten sich Christen öffentlich, um Buße für begangene Sünden zu tun. Aber auch fremdverordnete Buße war üblich. Der strenge Beichtvater der heiligen Elisabeth, Konrad von Marburg, soll seinen Schützling im Namen Gottes geschlagen haben.

Veränderung der inneren Haltung

Spätestens seit der Reformation jedoch sah man einen ganz anderen Weg zur Sinnesänderung: Gott selbst bewirkt die Buße. Allein durch den Glauben und die Gnade Gottes wird ein Christ von den Sünden erlöst. In seinen 95 Thesen verwies Martin Luther auf die ganzheitliche christliche Lebenshaltung, für die der Begriff der Buße aus seiner Sicht steht: "Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: 'Tut Buße', hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll."

Aus evangelischer Sicht geht es bei der Buße also weniger um Schuld und Sühne, sondern vielmehr um eine grundlegende Veränderung der inneren Haltung im Sinne des neutestamentlichen griechischen Begriffs "metanoia". Wörtlich übersetzt bedeutet das: "Umdenken, Sinnesänderung, Umkehr des Denkens". In dieser Linie ist auch der Buß- und Bettag zu verstehen: Es ist ein evangelischer Feiertag, der die Menschen zur Besinnung bringen und neu auf Gott ausrichten will.

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Der Buß- und Bettag geht auf den alten Brauch zurück, in Notzeiten einen öffentlichen Bußgottesdienst abzuhalten und dabei Gott um Vergebung und Hilfe zu bitten. Erstmals wurde er 1532 in Straßburg nachgewiesen. In Deutschland wurde der Buß- und Bettag später regional unterschiedlich an verschiedenen Terminen begangen.

1893 legte der preußische Staat den Feiertag einheitlich auf den Mittwoch vor dem letzten Sonntag im evangelischen Kirchenjahr fest. Diese Tradition wurde in Westdeutschland nach der Abschaffung im Zweiten Weltkrieg wieder eingeführt. 1995 wurde der Buß- und Bettag dann als arbeitsfreier Tag gestrichen, um dadurch die Pflegeversicherung finanzieren. Lediglich im Freistaat Sachsen besteht er bis heute als gesetzlicher Feiertag fort.

Zur Finanzierung der Pflegeversicherung abgeschafft

Für die Kirchen ist der Buß- und Bettag weiterhin ein Feiertag. Meist am frühen Abend laden sie zu Gottesdiensten ein. Doch wofür büßen und beten Protestanten heute? "Der Gedenktag dient dem Nachdenken über individuelle und gesellschaftliche Irrtümer wie beispielsweise Ausländerhass, Umweltzerstörung oder das Leben auf Kosten anderer Generationen", heißt es auf der Internetseite www.busstag.de, die von der kurhessischen und der bayerischen Landeskirche 2001 eingerichtet wurde. Eigene Fehler könnten an diesem Tag benannt und vor Gott gebracht werden.

Am 16. November 2011 geht es auf busstag.de um das Thema "Genug ist genug". Das Aktionsmotiv zeigt eine kleine Erdkugel in der Schraubzwinge einer offensichtlich überirdischen Macht. Ein Symbol für die Schuldenkrise, die uns fest im Griff hat? Auf der facebook-Seite postet ein moderner Internet-Büßer dazu: "Mir reicht's, das Miteinander ist verloren gegangen" - und erhält die Antwort: "Die wichtigste Frage hier muss doch lauten: Was könnten wir tun um das wieder zu ändern?"

epd