Kirche bekräftigt Streikverbot in diakonischen Einrichtungen

Kirche bekräftigt Streikverbot in diakonischen Einrichtungen
Die Arbeitsbedingungen in Einrichtungen der Diakonie sollen weiterhin einvernehmlich festgelegt werden. Streiks und Aussperungen bleiben damit ausgeschlossen, wie die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) per Kirchengesetz entschied. Gegen Ausgliederungen und Leiharbeit will die EKD künftig entschlossener vorgehen. Der Entscheidung war eine ebenso engagierte wie kontroverse Diskussion vorangegangen.

Die evangelische Kirche beharrt auf ihrem Sonderweg im Arbeitsrecht. Die EKD-Synode votierte am Mittwoch zum Abschluss ihrer Jahrestagung in Magdeburg für ein Kirchengesetz, das ausdrücklich das umstrittene Streikverbot und den Verzicht auf Aussperrungen vorsieht. Zugleich wandte sich das Kirchenparlament in einer Erklärung gegen Missstände in Unternehmen der Diakonie. So sollen Ausgliederungen mit dem Ziel der Lohnsenkung sowie Leiharbeit, die feste Arbeitsplätze ersetzt, nicht länger hingenommen werden.

Die Entscheidung fiel nach längerer kontroverser Diskussion. Fünf der 126 Synodalen stimmten am Ende dagegen, drei weitere enthielten sich. Ein Antrag, den Beschluss auf die nächste Tagung des Kirchenparlaments im kommenden Jahr zu vertagen, wurde zuvor abgelehnt. In den vergangenen Monaten hatte die Dienstleitungsgewerkschaft ver.di mehrfach gegen das Arbeitsrecht in Kirche und Diakonie protestiert und ein Streikrecht gefordert. Für das nächste Jahr wird dazu ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts erwartet.

Konfliktlösung im Konsens

Bei den Kirchen werden Löhne und Gehälter nicht zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ausgehandelt. Das Grundgesetz erlaubt ihnen, einen tariflichen Sonderweg zu gehen, der eine Konfliktlösung im Konsens anstelle von Arbeitskämpfen vorsieht. Fast flächendeckend gilt der sogenannte Dritte Weg. Über Bezahlung und Arbeitsbedingungen entscheiden Arbeitsrechtliche Kommissionen, die paritätisch mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt sind. Der Dritte Weg beruht auf dem Leitgedanken der Dienstgemeinschaft; dahinter steht die Vorstellung, dass in der sozialen Arbeit die Kooperation aller Beteiligten notwendig ist.

Das Gesetz soll dazu dienen, die Bestimmungen in den 22 evangelischen Landeskirchen und bei den diakonischen Trägern zu vereinheitlichen. Zugleich beschloss die Synode "Zehn Forderungen zur solidarischen Ausgestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts". In dieser Kundgebung heißt es unter anderem, dass diakonische Träger, die dem Dritten Weg ausweichen wollen, mit dem Ausschluss aus dem evangelischen Wohlfahrtsverband rechnen müssen. Auch sollen "Missstände wie Outsorucing mit Lohnsenkungen, ersetzende Leiharbeit und nicht hinnehmbare Niedriglöhne" zu "ernsthaften Konsequenzen und Sanktionen" führen.

Leiharbeit und Ausgründungen als Probleme

Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), der Dritte Weg sichere den Mitarbeitern ein gutes Niveau bei Bezahlung und Altersversorgung. "Wir leben seit 30 Jahren ohne Aussperrung und Streik", betonte er. Zugleich räumte der rheinische Präses ein, dass einige diakonische Einrichtungen das Prinzip der sogenannten Dienstgemeinschaft durch Leiharbeit und die Ausgründung von Unternehmensteilen aushöhlen. Eine Studie im Auftrag des Rates der EKD solle die Arbeitsbedingungen in kirchlichen Einrichtungen genauer untersuchen.

Blick ins Plenum der Magdeburger EKD-Synode. Foto: epd-bild / Norbert Neetz

Der Präsident des Diakonischen Werkes, Johannes Stockmeier, äußerte sich über die Zustimmung der Synode zum Kirchengesetz erfreut. Sie gebe der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD für ihr Vorgehen eine kirchenrechtliche Legitimation, sagte er dem epd. Die Willensäußerung der Synode sei für ihn eine Verpflichtung.

Scharfe Kritik von ver.di

Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske kritisierte den Beschluss scharf. "Die Festschreibung des Streikverbots im Kirchengesetz ist skandalös", sagte Bsirske am Mittwoch dem epd. Damit agiere die EKD als Staat im Staate und verweigere Hunderttausenden Mitarbeitern ein elementares Grundrecht. Die kirchlichen Beschäftigten und ver.di würden "diesen vordemokratischen Akt" nicht hinnehmen.

Die großen christlichen Kirchen in Deutschland sind nach dem Staat der größte Arbeitgeber in Deutschland. 1,3 Millionen Menschen sind bei ihnen beschäftigt, darunter rund 900.000 bei der kirchlichen Wohlfahrt. Über den Dritten Weg wird in der evangelischen Kirche seit langem diskutiert. Öffentliche Aufmerksamkeit bekam die Debatte durch Proteste von ver.di gegen das Streikverbot.

Bundesarbeitsgericht entscheidet im Mai

Zwei Landesarbeitsgerichte (LAG) haben in diesem Jahr im Sinne der Gewerkschaft entschieden: Das LAG Hamburg kam zu dem Urteil, dass Ärzte in diakonischen Krankenhäusern im Bereich der nordelbischen Kirche streiken dürfen. Das LAG Hamm hatte bereits im Januar Beschäftigten der evangelischen Kirche und der Diakonie ein Streikrecht zugesprochen. Die Diakonie Nordrhein-Westfalen legte Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt eingelegt. Eine Entscheidung des Gerichts wird für 2012 erwartet. Die Landeskirchen Nordelbien und Brandenburg weichen vom Dritten Weg ab. Sie verhandeln mit Gewerkschaften über Löhne und Gehälter. Ein Streikverbot gilt aber auch dort.

Im Arbeitsrecht bezeichnet man als Ersten Weg, wenn der Arbeitgeber einseitig Regelungen zu Arbeitsbedingungen und Entlohnung festlegt, wie das etwa der Staat bei den Beamten tut. Der Zweite Weg sind Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen. Das Recht zu Streiks und Aussperrungen ist dabei grundgesetzlich festgelegt. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Beschäftigungswesen ist indes bereits seit der Zeit der Weimarer Republik in der Verfassung verankert.

epd/evangelisch.de