Abschiebung der Illegalen: Deutschland und das Gesetz

Abschiebung der Illegalen: Deutschland und das Gesetz
Wie viele illegale Einwanderer in Deutschland und der EU leben, darüber gibt es nur Schätzungen. Bis zu einer Millionen könnten es in Deutschland sein, EU-weit sogar bis zu vier Millionen Menschen. Die EU will dem einen Riegel vorschieben und hat 2008 eine Richtlinie verabschiedet, die die Abschiebung von illegalen Migranten einheitlich regelt. Alle EU-Staaten mussten diese bis 2010 umsetzen. Deutschland hat das bisher nicht getan. Bei der Überarbeitung des Gesetzes stößt sich die Evangelische Kirche vor allem daran, dass die Regierung nicht auf das funktionierende System der Überwachung an Flughäfen, an denen die Landeskirchen beteiligt sind, zurückgreift.
30.09.2011
Von Maike Freund

Jetzt wurde Deutschland also gerügt. Denn eigentlich hätte die Bundesregierung bis Ende 2010 der EU-Kommission mitteilen müssen, wie sie in der Praxis mit illegalen Einwanderern umgeht. Außerdem fordert die EU eine Anpassung des deutschen Gesetzes an die EU-Richtlinie zum Abschieberecht.
Den Umgang mit illegalen Einwanderern regelt in Deutschland das Aufenthaltsgesetz. Einige Teile des Gesetzes entsprechen bisher noch nicht einmal den von der EU vorgegebenen Mindeststandards, zum Beispiel das Einreiseverbot.

In Deutschland darf ein Illegaler - ein sogenannter unkontrollierter Migrant - der einmal abgeschoben wurde, bisher nicht wieder ins Land einreisen oder sich hier aufhalten. Die EU-Richtlinie setzt aber fest, dass dieses Wiedereinreiseverbot bei maximal fünf Jahren liegt. Ist die Novellierung des Gesetzes an die EU-Vorgaben dann nicht eine Besserung? "Man hat sich durchaus bemüht, die Anregungen der Organisationen und Verbände umzusetzen", sagt Nele Allenberg, die für die EKD als Sachverständige die Diskussion im Innenausschuss mitgestaltet hat. "Gewiss nicht verstehen kann ich, warum Artikel 8.6 nicht umgesetzt wurde."

War ein Grund zur Hoffnung: Artikel 8.6 der EU-Richtlinie

Artikel 8.6 der EU-Richtlinie hatte der EKD und Hilfsorganisationen Grund zur Hoffnung gegeben. Er legt fest, dass Mitgliedstaaten "ein wirksames System für die Überwachung von Rückführungen" schaffen müssen. Dieser Artikel soll dafür sorgen, dass Todesfälle und Menschenrechtsverletzungen bei der Abschiebung, wie es sie in den vergangenen Jahren gegeben hat, nicht mehr möglich sind.

In Deutschland erfüllen in Zukunft interne Statistiken diese Forderung. Dabei hätte es die Möglichkeit gegeben, auf die Arbeit der Kirchen zurückzugreifen. Die engagieren sich stark beim Thema Flüchtlinge. Zum Beispiel am Düsseldorfer Flughafen haben Mitarbeiter der EKiR dafür gesorgt, dass es ein gut funktionierendes System der Zusammenarbeit der Behörden, der Kirchen und der Betroffenen gibt – und somit auch eine Kontrolle, die für mehr Transparenz sorgt. Dazu gehört zum Beispiel die Vorsorge, dass Illegale, die sich auf dem Weg außer Landes machen, ein Taschengeld erhalten.

Zahlen der Bundespolizei zeigen: 2004 hielten sich 81.000 Menschen illegal in Deutschland auf. Allerdings erfasst die Statistik nur diejenigen, die von der Polizei an Grenzen oder im Land aufgegriffen wurden. Schätzungen zufolge könnten bis zu einer Millionen Menschen ohne Erlaubnis in Deutschland leben. In der Europäischen Union beläuft sich die Schätzung auf bis zu vier Millionen Menschen.

Dass es nun eine einheitliche Reglung gibt, ist auch gut

Das deutsche Gesetz muss also den Vorgaben der EU angepasst werden. Aber schon die EU-Richtlinie ist umstritten, "denn sie ist ein Kompromiss", sagt Katrin Hatzinger von der EKD in Brüssel, die die Diskussion von Anfang an verfolgt hat. Und sie bietet viel Spielraum. Beispielsweise bei der Abschiebehaft, die auf bis zu 18 Monate ausgeweitet werden kann – viel zu lang, findet Hatzinger.

Auch wenn Deutschland festgelegt hat, dass diese Art der Haft als letzte Möglichkeit gilt - noch immer können auch Kinder und Jugendliche inhaftiert werden. Natürlich hatte sich die Evangelische Kirche gewünscht, dass dies in Zukunft nicht mehr möglich ist. Trotzdem: Dass es nun eine einheitliche Richtline gibt, sei auch gut, wenn man es pragmatische betrachte: "Denn in manchen Ländern hat es vorher keine Regelungen bei der Rückführung gegeben", sagt Hatzinger. Aus menschenrechtlicher Sicht sei dies jedoch nicht ausreichend.

Ende Oktober soll es jetzt soweit sein. Bis dahin will die Bundesregierung das "Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU" anpassen. Denn ansonsten droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

evangelisch.de/mit Material von epd

Maike Freund ist Redakteurin bei evangelisch.de