Johann Sebastian Bachs Orgelklänge in Kairo

Johann Sebastian Bachs Orgelklänge in Kairo
In der deutschen Kirche von Kairo wird eine 100 Jahre alte Walcker-Orgel restauriert. Noch hat die kleine Gemeinde das Geld aber nicht zusammen. Der größte Teil der Christen in Ägypten sind außerdem Kopten. Und die haben Chöre und keine Orgeln.
25.08.2011
Von Julia Gerlach

Es ist wie ein großes Puzzle, und Gerhard Walcker-Mayer steht mitten drin: Die Orgelpfeifen sind aufgereiht, der Größe nach sortiert. Daneben die Tastatur, ebenfalls in Einzelteilen. Der 61-Jährige lässt den Blick über sein Werk schweifen und lächelt zufrieden: "Als ich hörte, dass diese Orgel zu renovieren ist, hat mich das natürlich schon interessiert. Wann renoviert man schon mal eine Orgel in einer Stadt wie Kairo?" Die spätromantische Walcker-Orgel der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Kairo soll pünktlich zum 100. Geburtstag der Kirche im April 2012 wieder erklingen.

Aufgestellt wurde die Orgel von Walcker-Mayers Urgroßvater Oscar Walcker. Walcker-Mayer aus Bliesransbach im Saarland ist Orgelbauer in der siebten Generation. 1780 wurde die Firma gegründet, und Gerhard Walcker-Mayer renoviert in erster Linie Orgeln, die sein Urgroßvater einst aufstellte. Orgeln aus der Walcker-Familie wurden im Petersdom in Rom errichtet, im Hamburger Michel, in Boston, Riga und Medellin.

Viel Geld für eine kleine Gemeinde

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entstanden überall in der Welt deutsche Gemeinden. So auch in Kairo.Die evangelische Gemeinde wurde 1864 gegründet und ist dann schnell gewachsen. Gesandte, Geschäftsleute und Archäologen zog es an den Nil. Man gönnte sich eine prächtige Kirche im Stadtzentrum mit Platz für mehrere hundert Gottesdienstbesucher.

Auch an der Orgel wurde nicht gespart: Sie hat 17 Register und dazu ein Fernwerk: "Das ist typisch für die Orgeln dieser Zeit", sagt Walcker-Mayer und deutet auf eine Öffnung in der Mitte der Kirchenkuppel. "Der Klang einer Orgelpfeife geht durch einen Gang und kommt dann aus dieser Öffnung wieder heraus". Aus dem fein verzierten Eisengitter sollen im nächsten Frühjahr wieder die Orgeltöne auf die Gemeinde herab rieseln. Insgesamt kostet die Renovierung 160.000 Euro. Viel Geld für eine Gemeinde, die nur 150 Mitglieder hat.

Die Kreuzung, an der die Kirche liegt, ist immer verstopft. Unten hupen Minibusse und auf Höhe des Kirchturms drängen sich Autos sechsspurig auf einer Hochstraße. "Ich muss mir schon ab und zu den Vers unseres Herrn Jesus in Erinnerung rufen: Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen", sagt der Pastor der Gemeinde, Axel Matyba, und fügt gleich hinzu, dass er noch nie ganz alleine zum Gottesdienst kam. "Es gibt sicherlich manche, die diese Kirche als Klotz am Bein beschreiben würden, mit den ganzen Reparaturen. Aber sie ist auch ein ganz besonderer Ort", sagt er.

"Orgelrenovierung keine Konkurrenz zu anderen Projekten"

Wenn die Kirchentür ins Schloss gefallen ist, sind die Geräusche der Stadt nur noch sehr gedämpft zu hören. Einzelne Sonnenstrahlen bohren sich durch die Bleiglasscheiben und ziehen den Blick in Richtung Kuppel. "Wenn ich mir vorstelle, dass in diesem Raum ein Orgelkonzert von Bach aufgeführt würde ...", sagt Axel Matyba und spricht den Satz nicht zuende. "Wir hoffen, dass wir die Kirche dann mit der Orgel auch wieder mit mehr Leben erfüllen können".

Die zehn Prozent Christen in Ägypten sind ganz überwiegend Kopten und zu deren Gottesdiensten gehören Chöre und keine Orgeln. "Aber mehrere Dirigenten der Kairo Oper haben schon Interesse angemeldet. Es gibt Stücke, die man dann nur hier aufführen kann", sagt Matyba. Aber hat Ägypten nicht im Moment andere Probleme? Sollte man nicht lieber junge ägyptische Kultur unterstützen als so viel Geld in die Renovierung einer alten deutschen Orgel zu stecken?

"Man braucht ja nicht das eine zu tun, um das andere zu lassen", sagt Matyba. Er sehe sich nicht in Konkurrenz, sondern in Ergänzung zu anderen Projekten. Das Geld für die Orgelrenovierung stammt zum Teil vom Auswärtigen Amt aus einem Topf für Kulturerhalt, reiche ägyptische Geschäftsleute haben gespendet und deutsche Firmen etwas dazugelegt. "Noch haben wir nicht alles zusammen", sagt der Pastor.

Orgelbauer Gerhard Walcker-Mayer wischt sich den Schweiß von der Stirn. Es ist heiß in Kairo. Ganz besonders hier auf der Empore. Er findet es spannend, dass er ausgerechnet in dieser Zeit am Nil sein kann. Für die Proteste der Jugendlichen hat er Verständnis. Der Tahrir-Platz liegt nur wenige Gehminuten von der Kirche entfernt: "Wenn ich 20-jähriger Ägypter wäre, hätte ich auch demonstriert", sagt er.

 

epd